Startseite
Ostschweiz
St Gallen Gossau Rorschach
In Andwil hat sich viel getan in den vergangenen 100 Jahren. Wie die Menschen damals lebten, arbeiteten und feierten, zeigt ab Sonntag eine neue Ausstellung im Ortsmuseum.
Normalerweise gilt: Der Dorfkern ist dort, wo die Kirche steht. Nicht so in Andwil, wo die Kirche einst ausserhalb stand. Und das mit gutem Grund, wie Curdin Belart, Präsident der Museumskommission, weiss.
«Die Kirche wurde so gebaut, dass die Leute aus jedem Weiler etwa gleich weit hatten zum Gottesdienst.»
Mittlerweile merkt man von dieser Besonderheit nichts mehr. Denn wie alle anderen Dörfer in der Region ist auch Andwil in den vergangenen Jahrzehnten stark gewachsen und heute hat man das Gefühl, die Kirche stehe mitten im Dorf.
Der Veränderung des Landschafts- und Ortsbildes geht die neue Sonderausstellung im Ortsmuseum nach, die am Sonntag eröffnet wird. Der Titel «Die alten Strassen noch, die alten Häuser noch…» lehnt sich an den Refrain eines Volksliedes von Anfang des 20. Jahrhunderts an. Das Lied besingt in wehmütiger Weise den Wandel und das Abschiednehmen von Gewohntem und Liebgewonnenem.
Etwas wehmütig ist auch Curdin Belart, der das Lied aus seiner Zeit im Männerchor kennt. «Ich finde es schon beängstigend, wie sich das Dorf verändert hat, obwohl ich ja auch Nutzniesser bin und in einem Haus wohne», sagt er. Belart steht vor einer grossen Luftaufnahme aus dem Jahr 1935. Andwil bestand damals aus einigen Weilern mit je einem halben bis einem Dutzend Häusern. Heute zählt das Dorf fast 2000 Einwohner. Viele alte Häuser sind neuen Überbauungen gewichen und viele der unzähligen Hochstammobstbäume, die einst das Landschaftsbild prägten, sind verschwunden.
Gegen 100 Aufnahmen aus dem vergangenen Jahrhundert, viele ab Postkarten vergrössert, sind in der Ausstellung zu sehen. Ergänzend hat Belart ein Fotobuch mit den alten Ansichten des Dorfes gemacht. Dank grosszügiger Unterstützung der Gemeinde könne dieses günstig gekauft werden.
Curdin Belart hat die Fotos seit Jahren gesammelt, indem er die Andwilerinnen und Andwiler mit viel Ausdauer und Beharrlichkeit ermunterte, in ihren alten Fotoalben zu stöbern. Mit Erfolg, sind doch einige Trouvaillen zum Vorschein gekommen. Etwa das Bild der Eisernte am einstigen Müliweiher nahe des Ortsmuseums. Die Szenerie zeigt Männer mit Wadenbinden, Gilet und Hut, wie sie grosse Eisstücke aus einer massiven Eisschicht sägen. «Ich frage mich, ob heute überhaupt noch solch dicke Eisschichten entstehen könnten», sagt Belart. Verwendet wurde das Eis unter anderem von Metzgereien und Brauereien. In deren Eiskeller habe es jeweils bis in den Sommer hinein überdauert.
Flugaufnahmen aus verschiedenen Jahren, alte Handwerksbetriebe, ein Korbmacherkurs, Überschwemmungen, Andwil im Frühling: Die Themen auf den Fotos sind vielfältig. Was allen Aufnahmen gemein ist: Sie machen das einfache Leben sichtbar.
«Und manchmal eine Armut, die man heute höchstens noch von Reisen in andere Länder kennt.»
Oft posieren die Menschen mit ihren Tieren vor dem Haus. Und wenn mal Feiern angesagt war, dann richtig. Wie 1901 am Umzug mit Fahnenweihe im Sonnental. Alle Männer tragen Anzug, Fliege und Zylinder, die Frauen lange weisse Stickereikleider – ein Kinderfest für Erwachsene sozusagen. Auf einem der Bilder ist sogar Curdin Belarts Traumhaus zu sehen: Das alte Forsthaus mit Türmli.
Ortsmuseum Andwil, Müliweierstrasse 9, offen jeweils am 1. und 3. Sonntag des Monats von September bis März, 14 bis 17 Uhr, Eintritt frei