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Nach mehreren Abgängen und einer Umstrukturierung soll bei den Gossauer Stadtwerken wieder Ruhe einkehren. Claudia Martin erzählt, wo der Schuh drückt und wie sie das Vertrauen der Belegschaft zurückgewinnen will.
Bei den Gossauer Stadtwerken ist einiges in Bewegung. Der neue Geschäftsführer Peter Guler hat Ende September vor Ablauf der Probezeit gekündigt. Auch die zweite von insgesamt drei Stellen in der Geschäftsleitung ist unbesetzt. Dazu werden die Stadtwerke umstrukturiert.
Claudia Martin, seit der Kündigung Peter Gulers leitet Urs Peter, Abteilungsleiter Zentrale Dienste, das Unternehmen ad interim. Wie lange noch?
Es kann nicht sein, dass ein Stellvertreter das operative Geschäft über längere Zeit alleine schultern muss – und dies bereits zum zweiten Mal. Deshalb haben Stadtpräsident Wolfgang Giella und ich uns für ein Interim-Management entschieden. Dieses ist seit Beginn der Woche in Kraft.
Wie sieht dieses Interim- Management aus?
Neben Urs Peter gehören neu auch Markus Schwendimann und Gerardo Zampelli zur Geschäftsleitung. Sie kommen von der Firma IBG Engineering St. Gallen. Dieses Unternehmen ist auf die Beratung von Elektrizitätswerken spezialisiert. Schwendimann und Zampelli werden voraussichtlich bis Dezember 2019 tätig sein.
Weshalb haben Sie sich entschieden, externe Berater für den Übergang einzusetzen?
Einerseits ging es uns darum, dass wir schnell wieder das Tagesgeschäft im gewöhnlichen Umfang gewährleisten. Andererseits können wir mit der Übergangslösung die Rekrutierung der neuen Geschäftsführung besser begleiten.
Im Dezember 2019 soll die Geschäftsleitung wieder vollständig mit eigenen Leuten besetzt sein. Hat die Suche nach Kandidaten bereits begonnen?
Ja. Der Rekrutierungsprozess läuft; wir werden die Stelle demnächst ausschreiben.
Und die zweite Vakanz in der Geschäftsleitung, die Abteilungsleitung des Bereichs Netze?
Weil wir bis jetzt niemanden gefunden haben, haben wir uns entschieden, eine professionelle Personalvermittlung mit der Suche zu beauftragen. Das gilt übrigens auch für die Suche nach einem neuen Geschäftsführer. Zuerst hatten wir die Stelle für die Leitung Netze einfach ausgeschrieben. Die eingegangenen Bewerbungen haben aber den Erwartungen nicht entsprochen; das Angebot an Spezialisten in diesem Bereich ist in der Ostschweiz klein.
Peter Guler ist nach drei Monaten abgesprungen. Sein Vorgänger Markus Baer hatte sich nach zweieinhalb Jahren verabschiedet. Die Leitung der Gossauer Stadtwerke scheint nicht gerade ein attraktiver Posten zu sein.
Für Peter Guler hat es einfach nicht gepasst – das kann vorkommen. Und auch Markus Baer hatte entschieden, dass diese Tätigkeit für ihn nicht mehr stimmte. Ich habe dieses Amt ja erst Anfang Jahr angetreten. Damals habe ich aber gemerkt, dass die Stadtwerke in einer schwierigen Phase waren.
Welche Probleme haben Sie angetroffen?
Die vorliegende Kündigung des Geschäftsleiters Baer zum einen. Zum anderen war die Belegschaft zum Teil unzufrieden mit der Führung. Einige Entscheide sind nicht gefällt worden und Prozesse sind auf halben Weg stehen geblieben. In einigen Gebieten hätte man entschiedener agieren müssen.
Wollen Sie damit sagen, Ihre Vorgängerin Gaby Krapf habe die Stadtwerke zu wenig entschieden geführt?
Diese Frage müssen Sie Frau Krapf stellen. Aber seit ich im Amt bin, haben wir vieles neu beurteilt. Auch politisch ist einiges passiert. Mit dem neuen Reglement, das im Januar 2019 in Kraft tritt, sind die Stadtwerke ein unselbstständiges öffentliches Unternehmen mit erweiterter Handlungskompetenz. Dieser Parlamentsentscheid schaffte Klarheit. Nun können wir die Werke so positionieren, dass sie für eine vollständige Öffnung des Strommarktes gewappnet sind.
Wie wirken sich die vielen Wechsel auf die Stimmung der Belegschaft aus?
Das Vertrauen einzelner Mitarbeiter ist sicher erschüttert. Viele hatten die Erwartung, dass mit dem Antritt Peter Gulers wieder Routine einkehrt. Der Umstand, dass er gleich wieder abgetreten ist, hat diese Hoffnung gedämpft. Die Bereitschaft des Personals, die Interim-Geschäftsleitung zu unterstützen, ist aber gross. Wolfgang Giella und ich haben die Belegschaft stets direkt über alle Schritte informiert, um das Vertrauen wiederzugewinnen. Alle wollen zurück zur Normalität.
Peter Guler war als Abteilungsleiter Markt und Energie auch für die Energiebeschaffung verantwortlich. Der Strommarkt folgt seinen eigenen Regeln. Ist mit der Übergangslösung genügend Wissen vorhanden, um den Energieeinkauf zu managen?
Ja, auf jeden Fall. Mit dem Einbezug der IBG haben wir den Vorteil, dass wir auf die Kompetenzen dieses Unternehmens zurückgreifen können. So können wir Wissensverlust verhindern. Eine weitere vakante Stelle in dieser Abteilung konnten wir übrigens neu besetzen.
Sie begleiten die Stadtwerke in dieser Phase enger als üblich. Wie viel Mehraufwand bedeutet das für Sie?
Wir gehen von zehn zusätzlichen Stellenprozenten aus. Mal ist es mehr, mal weniger. Aber es liegt nicht alles auf meinem Tisch. Stadtpräsident Giella und ich haben die Aufgaben aufgeteilt.
Wie bewältigen Sie diesen Mehraufwand? Neben Ihrem 50-Prozent-Pensum als Departementsvorsteherin Versorgung und Sicherheit arbeiten Sie noch als Berufsschullehrerin und sitzen im St. Galler Kantonsparlament.
Als ich in den Stadtrat gewählt wurde, habe ich mein Pensum an der Berufsschule reduziert. Ich unterrichte nur noch einen Tag in der Woche. Somit kann ich den zusätzlichen Aufwand, den es für die Umstrukturierung braucht, gut bewältigen.
Die beiden Vakanzen in der Geschäftsleitung werden voraussichtlich bis Dezember 2019 mit Markus Schwendimann und Gerardo Zampelli von der Firma IBG Engineering besetzt. Schwendimann ist ehemaliger Leiter des Bereichs Netz und Elektrizität der St. Galler Stadtwerke. Zampelli ist Mitglied der Geschäftsleitung von IBG Engineering und ist dort unter anderem verantwortlich für die Unternehmensentwicklung. Der Umbau der Gossauer Stadtwerke verläuft auf zwei Ebenen. Einerseits hat das Stadtparlament im März ein neues Reglement für beschlossen. Dieses soll den Stadtwerken mehr Spielraum beim Energieeinkauf ermöglichen, gleichzeitig aber die parlamentarische Kontrolle erhalten. Im Juni wurde es an der Urne genehmigt und auf Januar tritt es in Kraft. Daraufhin hat der Stadtrat auf 1. Juli die Geschäftsleitung von fünf auf drei Sitze verkleinert und zwei Abteilungen umstrukturiert. Mit einer schlankeren Führung sollten die Stadtwerke schlagkräftiger werden. (al)