Abstimmungen
Es geht um Bäume und um ein Wieslein im Museumsquartier: Die Stadt St.Gallen stimmt über zwei Zonenplangeschäfte ab

Am 12. März werden den Stimmberechtigten der Stadt St.Gallen eine Vorlage und eine Initiative zur Abstimmung unterbreitet. In beiden Angelegenheiten ist der Zonenplan tangiert – auf unterschiedliche Art.

Daniel Wirth
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Zwei prächtige Bäume auf der Kinderfestwiese auf dem Rosenberg. Stadtrat und Stadtparlament möchten den Baumschutz ausdehnen auf das gesamte Siedlungs- und Baugebiet.

Zwei prächtige Bäume auf der Kinderfestwiese auf dem Rosenberg. Stadtrat und Stadtparlament möchten den Baumschutz ausdehnen auf das gesamte Siedlungs- und Baugebiet.

Marlen Hämmerli
(20. Juli 2022)

Stadtrat und Stadtparlament wollen den geltenden Zonenplan ändern. Bäume mit einem Stammumfang von mehr als 80 Zentimetern, gemessen einen Meter über dem Boden, sollen auf dem gesamten Stadtgebiet nur noch mit dem Segen der Baubewilligungsbehörde gefällt werden dürfen.

Die Vorlage hat ihren Ursprung zum einen in der Interpellation «Besserer Schutz für die Stadtbäume», die im April 2020 von Veronika Meyer, Andreas Hobi (beide Grüne), Helen Thoma (Die Mitte), Nadine Niederhauser (Grünliberale) und Elisabeth Zwicky Mosiman (FDP) eingereicht wurde. Zum anderen reichte der Naturschutzverein St.Gallen und Umgebung (NVS) eine Resolution mit der Thematik eines verbesserten Schutzes der Stadtbäume ein. Beides nahm der Stadtrat wohlwollend entgegen mit dem Argument, Bäume hätten in der Stadt St. Gallen wichtige und vielseitige Funktionen - gerade wegen des Klimawandels.

In der Beantwortung der Interpellation erklärte sich der Stadtrat denn auch bereit, die bestehende Bewilligungspflicht für Baumfällungen auf das gesamte Bau- und Siedlungsgebiet der Stadt St.Gallen auszuweiten. Wichtig ist dem Stadtrat, wie er im Abstimmungsbüchlein schreibt, dass dies schon vor der vorgeschriebenen Gesamtrevision von Bau- und Zonenordnung geschieht, um die Bedeutung der Stadtbäume zu unterstreichen. Die Totalrevision muss vor 2027 geschehen; das hat mit Inkrafttreten des neuen kantonalen Planungs- und Baugesetzes zu tun.

Ratsreferendum ergriffen

Der nun vorliegenden Zonenplanänderung zur Ausweitung des Baumschutzes auf das gesamte Bau- und Siedlungsgebiet hat das Stadtparlament am 24. Mai vergangenen Jahres zugestimmt. 21 Mitglieder der Legislative unterstellten diesen Beschluss mit dem Ratsreferendum unmittelbar nach der Abstimmung dem obligatorischen Referendum, weshalb die Stimmberechtigten am 12. März an die Urne gebeten werden.

Ausgeweitet werden soll das Baumschutzgebiet. Nicht verschärft werden hingegen die Bestimmungen. Die Bewilligung für die Fällung eines Baumes wird demnach erteilt, wenn das Interesse einer Fällung das Interesse an der Erhaltung überwiegt. Das ist der Fall, wenn ein Baum ohne qualitative Verschlechterung des bestehenden Baumbestandes gefällt werden kann und der Baum nicht besonders schützenswert ist. Die Bewilligung einer Fällung wird nach wie vor der Zonenplanrevision erteilt, wenn ein Baum im Bereich einer geplanten Hauptbaute steht und der Baum nicht besonders schützenswert ist. Mit der Bewilligung einer Fällung kann eine angemessene Ersatzpflanzung verfügt werden. Der Stadtrat ist der Ansicht, private Interessen würden durch die Zonenplanänderung nicht übermässig beeinträchtigt. Die Erweiterung der Baumschutzgebiete stehe der künftigen baulichen Entwicklung der Stadt nicht entgegen. Es gehe hier nicht um einen absoluten Baumschutz, so der Stadtrat in seiner Botschaft.

Eine kleine Gruppe wehrt sich für ihren Quartiertreffpunkt

Das Wiesli im Museumsquartier. Die St.Galler Pensionskasse möchte darauf einen Neubau hochziehen.

Das Wiesli im Museumsquartier. Die St.Galler Pensionskasse möchte darauf einen Neubau hochziehen.

Bild: Tobias Garcia
(4. August 2022)

Beim zweiten Zonenplangeschäft, über das am 12. März in der Stadt St.Gallen abgestimmt wird, geht es um ein Volksbegehren: die Wiesli-Initiative. Um was geht es konkret? Die St.Galler Pensionskasse (sgpk) hat die Absicht, auf zwei ihrer fünf Grundstücke an der Hadwigstrasse im Museumsquartier einen Neubau hochzuziehen. Darin sollen 13 Zweieinhalb- und Dreieinhalbzimmerwohnungen entstehen, wie es im Abstimmungsbüchlein heisst. Drei weitere, angrenzende Grundstücke der sgpk, für welche der Überbauungsplan eine Hofbaute sieht, sollen nicht überbaut werden, sollen als Aussenraum erhalten bleiben, wie es heisst.

Als Reaktion auf das Bauvorhaben wurde das Initiativbegehren «Für lebendige Quartiere – Wiesli retten (Wiesli-Initiative)» eingereicht. Das Volksbegehren wurde von 2200 Personen unterzeichnet. Das Initiativkomitee ist der Auffassung, dass die fünf heute noch unbebauten Grundstücke im Innenhof des mittleren Gevierts des Museumsquartiers gesamthaft weiterhin als Begegnungsort und Mittelpunkt des Quartierlebens zur Verfügung stehen sollen. Damit das Bauvorhaben der sgpk nicht realisiert werden kann und auch eine spätere Überbauung nicht mehr möglich sein wird, verlangt die Initiative die Zuordnung des so genannten «Wiesli» im Zonenplan zu einer Nichtbauzone.

Begründet wird das Begehren von den Initiantinnen und Initianten etwa so: Das Wiesli sei von hoher Bedeutung für das Quartier; es sei Kinderspielplatz und Treffpunkt für viele Familien aus dem Museumsquartier und angrenzenden Wohngebieten. Seit über 40 Jahren würden sich hier Menschen unterschiedlicher Herkunft und Generationen zum Spielen, Reden und Feiern treffen. Zudem sei das Areal ein wertvoller Grünraum in der Innenstadt, argumentiert das Initiativkomitee stets.

Initiative hatte im Stadtparlament keine Chance

Der Stadtrat empfahl dem Stadtparlament im August vorigen Jahres, die Wiesli-Initiative sei ohne Gegenvorschlag abzulehnen. Die Legislative folgte dem Antrag klar mit 53 zu 5 Stimmen bei einer Enthaltung.

In der Botschaft an die Stimmberechtigten heisst es, Stadtrat und -parlament würden die Bedeutung des Wiesli für das Quartier als Begegnungsort und Treffpunkt anerkennen und könnten nachvollziehen, dass sich die Bewohnerinnen und Bewohner diesen Ort dank der Bereitschaft der Eigentümerin während über 40 Jahren angeeignet hätten.

Dennoch sei zu berücksichtigen, dass es sich dabei für beiden Seiten stets um eine geduldete Nutzung auf Zeit gehandelt habe. Das Wiesli sei der Bauzone zugeteilt und stelle eine Baulücke dar, heisst es seitens des Stadtrats. Damit die angestrebte Siedlungsentwicklung nach innen umgesetzt werden könne, müssten solche Baulücken bebaut werden.

Eine Unterversorgung des Quartiers in Bezug auf Freiräume sei durch die Überbauung des Wiesli nicht zu befürchten. Verglichen mit anderen Gebieten der Stadt sei das Museumsquartier mit qualitativ hochstehenden Freiräumen ausgestattet, begründet der Stadtrat die Ablehnung des Volksbegehrens. Dem Quartier werde nach der geplanten Überbauung ein Grossteil der Fläche auch weiterhin als Treffpunkt zur Verfügung stehen.

Würde die Wiesli-Initiative angenommen, müsste die Stadt St.Gallen die St.Galler Pensionskasse mit rund 1,5 Millionen Franken entschädigen, weil durch die Umzonung Eigentumsbeschränkungen eintreten würden.