Abstimmung
Die St.Gallerinnen und St.Galler sagen Nein zur Wiesli-Initiative: Doch das Museumsquartier will sich mit anderen Mitteln für den Erhalt des Wiesli einsetzen

In der Stadt St.Gallen hatten die Stimmberechtigten darüber zu befinden, ob das Wiesli im Museumsquartier überbaut werden darf oder nicht. Auslöser für den Urnengang war eine Initiative, die sich gegen die Überbauungspläne wehrte. Die Stimmberechtigten lehnten die Initiative mit 55,4 Prozent Nein-Stimmen ab. Die Stimmbeteiligung lag bei 44,3 Prozent.

Daniel Wirth
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Die heftig umstrittenen 1400 Quadratmeter Land gehören der St.Galler Pensionskasse.

Die heftig umstrittenen 1400 Quadratmeter Land gehören der St.Galler Pensionskasse.

Tobias Garcia

Einwohnerinnen und Einwohner des Museumsquartiers wollen das Wiesli vor der Überbauung retten. Darum reichten sie die Wiesli-Initiative ein. Hintergrund: Die Eigentümerin, die St.Galler Pensionskasse (sgpk), hatte Pläne für ein Haus mit 13 Mietwohnungen für einen Teil des 1400-Quadrameter-Grundstücks vorgelegt. Das Projekt eines St.Galler Architekturbüros, das als Sieger aus einem Wettbewerb hervorging, sieht auf dem Wiesli selbstbestimmtes Wohnen im Alter vor.

Stadtrat Markus Buschor sagte am Sonntag nach Bekanntwerden des Abstimmungsergebnisses, er sei dankbar, seien die Stimmberechtigten dem Stadtparlament und dem Stadtrat mit dem Nein zur Initiative gefolgt. Für die Initianten brachte der Vorsteher der Direktion Planung und Bau Verständnis auf. Sie hätten das Wiesli als Begegnungsort liebgewonnen.

Für die Innenentwicklung der Stadt sei es indes wichtig, dass Baulücken geschlossen werden könnten. Und er sagte, dass mit dem Projekt der Pensionskasse St.Gallen lediglich ein Drittel des Wiesli überbaut werde.

Verantwortliche der Pensionskasse sind erleichtert

Die St.Galler Pensionskasse zeigt sich erleichtert darüber, dass nun Klarheit bezüglich die weitere Zukunft der betroffenen Grundstücke herrscht, wie sie am Sonntag in einem Communiqué mitteilte. Wann das Bauvorhaben in Angriff genommen werde, weise sich in den nächsten Monaten. Die sgpk schreibt, sie nehme die Anliegen der Anwohnerinnen und Anwohner unverändert ernst und setze weiterhin auf einen einvernehmlichen Dialog. Auch der zwischenzeitlichen Nutzung des Wiesli durch die Anwohnerinnen und Anwohner als Begegnungsort stehe aus Sicht der sgpk aktuell und bis zum Start der Bauarbeiten nichts im Weg.

Initianten sind enttäuscht, geben aber noch nicht auf

Stellvertretend für das Initiativkomitée nahmen am Sonntag Evelyn Wenk und Hans-Caspar Schegg Stellung. Sie hätten angesichts der lückenlosen Phalanx der Parlamentsfraktionen zwar mit einem Nein rechnen müssen, seien jetzt aber dennoch enttäuscht, sagten sie unisono. Den Ja-Stimmen-Anteil von 45 Prozent nannten sie indessen einen «Achtungserfolg».

Das Museumsquartier habe auch Zuspruch von Stimmberechtigten anderer Wohngegenden in der Stadt erhalten, sagte Wenk. Hätte das Stimmvolk am Sonntag Ja gesagt, hätte die Stadt die St.Galler Pensionskasse mit rund 1,5 bis 2 Millionen Franken entschädigen müssen. Dies habe wahrscheinlich zum Nein beigetragen, sagte Schegg.

Das Initiativkomitee akzeptiere den Entscheid des Stimmvolks, wonach das Wiesli nicht aus der Bauzone W4A entlassen werden soll. Aufgeben will es die 1400 Quadratmeter Grünfläche aber noch nicht. Auch wenn nur ein Drittel des Areals überbaut werde, könne auf dem restlichen Teil des Grundstück nichts mehr entstehen, was dem heutigen Wiesli ähnlich sei. Deswegen wolle man weiterhin mit den Verantwortlichen der St.Galler Pensionskasse verhandeln. Und es gebe ja noch keine Bewilligung für den Bau des Mehrfamilienhauses. Man werde das Baugesuch genau studieren.

Nein-Komitée ist erleichtert

Der Stadtrat und das Stadtparlament lehnten das Volksbegehren ohne Gegenvorschlag ab. Sämtliche sechs Fraktionen (SP/Juso/PFG, FDP, Die Mitte/EVP, SVP, GLP und Grüne sprachen sich gegen die Wiesli-Initiative aus. Die Vertreter dieser Fraktionen sagten am Sonntag, sie seien erleichtert. Ein Ja zur Initiative hätte andere Zwischennutzungen in der Stadt gefährdet, sagte Jacqueline Gasser-Beck von den Grünliberalen. Felix Keller von der FDP sagte, es wäre nicht gut gewesen, wenn die Stadt die St.Galler Pensionskasse für das Wiesli hätte mit Steuergeld entschädigen müssen. Ins gleiche Horn stiessen am Sonntag auch Karin Winter-Dubs von der SVP und Patrik Angehrn von der Fraktion von Die Mitte/EVP.

Das Ja-Komitee führte einen engagierten Abstimmungskampf. Für die Bewohnerinnen und Bewohner im Museumsquartier ist das Wiesli ein beliebter Begegnungsort, den sie sich in den vergangenen 40 Jahren aneigneten. Die St.Galler Pensionskasse duldete die Nutzung des Areals.