Abschied
Auf Wiedersehen, Reto Voneschen! Unser St.Galler Stadt-Tickerer geht in Pension – die Würdigung

Der langjährige Stadt-Redaktor und -Tickerer Reto Voneschen geht Ende Monat in Pension. Mit ihm verliert das «Tagblatt» einen leidenschaftlichen Lokaljournalisten. Und die Stadt St.Gallen den kenntnisreichsten Chronisten der vergangenen Jahrzehnte.

Stefan Schmid 10 Kommentare
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Stadtredaktor Reto Voneschen.

Stadtredaktor Reto Voneschen.

Bild: Hanspeter Schiess

Als Chefredaktor würde man diese Zeilen lieber nie schreiben müssen. So verdient die Worte des Dankes und der Anerkennung für Reto Voneschen auch sind: Der Abschied von unserem langjährigen Kollegen fällt uns schwer.

Ende Juli geht Voneschen in Pension, in welcher er, so zumindest unsere Abmachung, weiterhin ab und an fürs «Tagblatt» in die Tasten greifen wird. Der letzte Arbeitstag auf der Redaktion ist freilich am Freitag.

Bei der «Ostschweiz» begonnen

Voneschen, im bündnerischen Chur aufgewachsen, verschlug es in den 1980er-Jahren studienhalber nach St.Gallen. Hier wirkte er zunächst als Kommunikationsverantwortlicher der HSG, ehe er über die Presseagentur SPK bei der guten, alten «Ostschweiz» als Journalist anheuerte. Beim katholisch-konservativen Blatt, das 1997 aus ökonomischen Gründen eingestellt werden musste, gehörte Voneschen rasch zu den tonangebenden Lokaljournalisten, die dafür sorgten, dass das «Tagblatt» als Platzhirsch herausgefordert wurde.

Stefan Schmid, Chefredaktor.

Stefan Schmid, Chefredaktor.

Bild: Hanspeter Schiess

1998 wechselte Voneschen, gemeinsam mit einer Handvoll ehemaliger «Ostschweiz»-Journalisten, selber zum «Tagblatt», genauer: auf die Stadtredaktion, die damals noch am Oberen Graben angesiedelt war. Unter der Leitung von Stadtchef Josef Osterwalder mauserte sich Voneschen rasch teamintern zur Nummer zwei. Wobei schon damals Stimmen aufkamen, die stets danach fragten, wer unter Saftwurzel Voneschen denn nun eigentlich der Ressortleiter sei.

Der meinungsstarke Charakterkopf

Voneschen ist ein meinungsstarker Charakterkopf, der die inhaltliche Auseinandersetzung stets gesucht hat und keinem argumentativen Disput aus dem Weg gegangen ist. Oft glaubte er dabei, es noch einen Tick besser zu wissen als das Gegenüber – insbesondere, wenn es um Politik ging. Man kann Reto Voneschen zur städtischen Politik der vergangenen 30 Jahre eigentlich alles fragen: Es gibt nichts, was er nicht wüsste. Welcher Stadtrat 1991 die Sicherheitsdirektion führte? Nichts einfacher als das. Welches markante Gebäude am Marktplatz zum letzten Mal totalsaniert wurde: Voneschen kennt die Antwort aus dem Effeff. Ganz zu schweigen von der Geschichte der Stadt, von der Stadtverschmelzung etwa, die er auswendig zu rezitieren weiss.

Der stete Drang zur noch besseren Geschichte

Wer so wissensreich und leidenschaftlich zugleich ist, der steht anderen im schlechtesten Fall auch einmal vor der Sonne. Ja, es gab sie, die Kolleginnen und Kollegen, die mit ihm gelegentlich die Klingen kreuzten, vor allem in früheren Jahren, als Voneschen als operativer Tagesleiter die Geschicke der Stadtredaktion weitgehend kontrollierte.

Auf der anderen Seite haben aber auch unzählige junge Journalistinnen und Journalisten, die ihre Karriere auf der Stadtredaktion des «Tagblatts» gestartet haben, von Voneschens Expertise profitiert, ja sich von seiner Neugier, seinem steten Drang zur noch besseren Geschichte anstecken lassen. Voneschen ist ein Leithammel alter Schule. Ein Vollblutjournalist. Und vor allem auch: ein grosser Fan der Stadt St.Gallen.

Mit offenen Augen und Ohren durch St.Gallen

Was kann einer Stadt besseres widerfahren, als von einem Journalisten täglich beobachtet, analysiert und beschrieben zu werden, dem kein Detail entgeht, der sich für alles interessiert? Mit offenen Augen und Ohren radelte Voneschen auf seinem Velo durch die Gassen der Altstadt und die Strassen in den Aussenquartieren, primär in der Lachen, wo er wohnt – und notierte sich in seinem Kopf buchstäblich jede Katze, die irgendwo seinen Weg querte. Viele solcher Beobachtungen und Geschichten landeten im St.Galler Stadt-Ticker, den Reto Voneschen in den vergangenen Jahren mit ebenso viel Leidenschaft wie Erfolg betreute.

Mit dem Freitag geht eine intensive, lange Journalisten-Karriere zu Ende. Unzählige Geschichten sind noch nicht zu Ende erzählt. Das müssen fortan andere tun. Wir danken Dir, lieber Reto, für alles, was Du in den vergangenen 24 Jahren für das «Tagblatt» und dessen Redaktion gemacht hast. Wir werden, da bin ich sicher, noch einige Male zusammenstehen und uns überlegen, ob wir Dich kurz anrufen sollen, um Deine Einschätzung, Deinen Rat abzuholen. In diesem Sinne: Bis bald und hab es gut.

10 Kommentare
Urs Weishaupt

Lieber Reto Dein Wissen und Gewissen über die Stadt ist ab morgen nur noch privat vorhanden. Das Tagblatt verliert nicht nur einen intern auch unbequemen „Bündnerbock“. Es verliert den Lokaljournalisten, der (fast) unbestechlich für die Sache eingestanden ist. Ich kann nur hoffen, dass Stefan Schmid seine Aussage wahrmachen wird und dich manchmal konsultiert. Ich hoffe täglich!  mach’s guet!

Marcel Thoma

Lieber Reto Unzählige Male habe ich gestaunt, was Du alles recherchiert hast. Es war eine willkommene Herausforderung, Dir als Sparringpartner gegenüber zu sitzen oder zu stehen. Ich habe mich oft über Deine Texte gefreut, hin und wieder die Stirn gerunzelt und selten geärgert, wenn Du z.B. in einer Glosse etwas auf die Schippe genommen hast, wofür wir uns mit Herzblut eingesetzt haben.  Und jetzt soll das vorbei sein? Kann und will ich mir eigentlich gar nicht vorstellen - in der Hoffnung, doch noch ab und zu Deinen Kürzel im Tagblatt lesen zu dürfen. Halt Dir Sorge und geniess es.