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Markus Piasente ist alle 140 Treppen in der Stadt hochgerannt – am Stück. 3000 Höhenmeter hat er dabei zurückgelegt. Ein Klacks für den geübten Läufer, der sich ganz andere Herausforderungen gewohnt ist.
Im Sportdress steht Markus Piasente oben an der Gesstreppe. Schnurgerade führt sie vom Dreilindengässlein hinauf zu den Drei Weieren, als eine von 140 öffentlichen Treppen auf Stadtgebiet. Markus Piasente ist sie alle abgelaufen, in der Nacht und am Stück. In Zahlen ausgedrückt: 13000 Stufen, 68,7 Kilometer, 2954 Höhenmeter, 12 Stunden und 20 Minuten. «Ich denke nicht, dass das schon einmal jemand gemacht hat», sagt der 44-Jährige.
Piasente startete seinen Treppenlauf am 7. April um 23 Uhr am Zilweg. Im Zickzack gings von dort von Osten nach Westen durch die ganze Stadt. Die Route hatte sich Piasente vorab genau zurechtgelegt. Wie Perlen an einer Schnur reihte er die Treppen aneinander, bis sie eine schlüssige Laufstrecke ergaben. Eine Excel-Tabelle mit allen Treppen hatte er vom Initianten des Projekts «Stägestadt St.Gallen» bekommen. «In dem Moment, als ich auf die Sägestadt-Webseite klickte, wusste ich: Ich werde alle diese Treppen laufen.»
Piasente ist sich solche Herausforderungen gewohnt. Meist sucht er sie im Alltag, rennt zum Beispiel nach einer Nachtschicht im Depot der Verkehrsbetriebe – er arbeitet dort als Fahrleitungselektriker – noch schnell über Appenzell nach Hause nach Winkeln. Seit 2003 hat sich Piasente dem Laufen verschrieben. Damals entschied er sich zu einem gesunden Lebenswandel und begann zu rennen, nicht zuletzt um seine Grenzen zu spüren. «Ich wollte wissen: Wie weit komme ich mit meinem Körper?», sagt Piasente und beantwortet die Frage gleich selber: «Man kommt weit.»
Im Moment schaffe er 128 Kilometer am Stück, so wie am Iron Trail in Davos (inklusive 6990 Höhenmetern). An einem 12-Stunden-Lauf in Basel kam er 111 Kilometer weit, den St.Galler Auffahrtslauf schaffte er in einer Stunde und 43 Minuten – um nur einige der vielen Wettkämpfe zu nennen, die Piasente in den vergangenen Jahren absolviert hat.
Im Vergleich dazu sei der St.Galler Treppenlauf «gemütlich» gewesen. Piasente benutzt tatsächlich dieses Wort und ergänzt trocken: «Die Belastung war tief.» Tief zumindest im Vergleich zu einem Marathon, wo der Puls jeweils drei Stunden lang rase. Als Piasente nach der letzten Treppe in Winkeln nach Hause zurückgekehrt sei, habe er sogar noch etwas mit der Familie unternommen.
Auf Nachhaken erzählt er dann aber doch noch von den Härten des Laufs: «Man kämpft. Man hat Schmerzen. Und danach war ich müde. Aber ich musste nicht leiden am nächsten Tag.»
Eine Krise habe er oben an der Schlösslitreppe gehabt. Morgens um sechs, nach sieben Stunden Rennen, machte er dort die erste Pause, ass etwas und genoss den Blick auf den Säntis. Danach musste er sich «mental neu orientieren», wie er sagt. Doch er hatte vorgesorgt, damit nicht nur sein Körper, sondern auch sein Kopf bei der Sache blieb: Jede absolvierte Treppe strich er mit dem Stift ab, und er hatte immer nur die nächste vor Augen: «Jede Treppe ist eine Etappe. Man darf sie sich nicht alle auf einmal vorstellen.» Besser wurde es nach der Berneggtreppe, der längsten von allen. Nachdem er diese Stufen geschafft habe, seien die restlichen ein Klacks gewesen.
Die nächsten Laufprojekte stehen schon an: Am kommenden Samstag nimmt Markus Piasente am Jungfrau-Marathon teil und 1800 Höhenmeter auf sich. Am Sonntag, am ersten «Stägestadt-Tag St.Gallen», wird Piasente die «Stairs Trophy» absolvieren, einen Ausdauerlauf über bis zu 10000 Treppenstufen. All das am selben Wochenende? Piasente lacht: «Ja, das wird weh tun.»