Kybunpark, Breitfeld, Neuchlen-Anschwilen: St.Gallen punktet beim Zentralvorstand des nationalen Schwingerverbandes mit einem 35-Millionen-Budget – und mit kurzen Wegen

Fünf Monate, vier Tage, acht Stunden: So lange dauert es noch, bis die Abgeordneten des nationalen Schwingerverbandes über die St.Galler Kandidatur für das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2025 entscheiden werden.

Christoph Zweili, Saskia Ellinger
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Auf dem St.Galler Breitfeld würde 2025 eine Schwingerarena aufgebaut, die mit 56'000 Plätzen dreimal mehr Zuschauer fasste als der Kybunpark..

Auf dem St.Galler Breitfeld würde 2025 eine Schwingerarena aufgebaut, die mit 56'000 Plätzen dreimal mehr Zuschauer fasste als der Kybunpark..

Bild: Urs Bucher

Die Schwinger auf dem Breitfeld, die Steinstösser im Gründenmoos, die Hornusser wie beim «Eidgenössischen» vor 45 Jahren in Niederwil bei Waldkirch: Das Eidgenössische Schwing- und Älplerfest 2025 (ESAF) in St.Gallen ist «machbar». Das ist der offizielle Status der St.Galler Kandidatur nach der Beurteilung der Expertenkommission des nationalen Schwingerverbandes im Juli. Ebenfalls im Schlussgang für die Durchführung des Traditionsanlasses ist der Kanton Glarus mit dem Areal auf dem Flugplatz Mollis. Das Urteil der Experten lautet auch hier: «Machbar». Ein eigentliches Ranking gibt es nicht: Beide Bewerber müssen also zittern.

Der Zentralvorstand des Eidgenössischen Schwingerverbandes stand damit am Freitag bei der Besichtigung des Festgeländes und der St.Galler Kandidatur quasi vor einer Qual der Wahl: Es kommt nicht oft vor, dass er aus zwei Standorten ausmarchen kann. Das Machtwort aber sprechen die Abgeordneten am 7.Juli 2021, wenn sie sich zur Versammlung des nationalen Schwingerverbandes in Chur treffen: Über 200 Delegierte werden per Handmehr den Austragungsort 2025 im Verbandsgebiet des Nordostschweizer Schwingerverbandes bestimmen.

Markus Lauener, Obmann des Schwingerverbandes

Markus Lauener, Obmann des Schwingerverbandes

Bild: Ralph Ribi

Das Los wird entscheiden, wer sich zuerst präsentieren darf. «Oft wird es eine Entscheidung auf Messers Schneide», sagt Markus Lauener, Obmann des nationalen Schwingerverbands auf Schloss Oberberg in Gossau. 2013 schien Thun mit dem Waffenplatz als Austragungsort bereits gesetzt, das Rennen machte aber Burgdorf – nach einer emotionalen Präsentation an der Abgeordnetenversammlung. Fünf Monate, vier Tage, acht Stunden – und inzwischen bereits weniger: So lange dauert es noch bis zur Ausmarchung St.Gallen gegen Mollis.

Der Verein ESAF 2025 weiss, wie man der Schwingergemeinde um den Bart geht, nachdem die grossen Werbeauftritte am Jubiläumsschwingen in Appenzell und an der diesjährigen Olma wegen Corona nicht möglich waren: Stattdessen haben alle Abgeordneten ein Päckli aus der Ostschweiz erhalten – mit einem Holzplättli aus der Schreinerei von Jörg Abderhalden, Schwingerkönig der Jahre 1998, 2004 und 2007, einer Wurst von Metzger Daniel Bösch, 2011 Sieger des Unspunnenfestes in Interlaken, und einem Käse vom Käser Arnold Forrer, Schwingerkönig von 2011. Die drei Schwinger werben aktiv unter den «Bösen» für den Austragungsort St.Gallen. Bevor Lauener mit dem offiziellen Schwingertross Richtung Glarus weiterfährt, lobt er Präsident Michael Götte: «Die St.Galler haben ihre Sache heute sehr gut gemacht.»

Michael Götte, Gemeindepräsident Tübach, SVP

Michael Götte, Gemeindepräsident Tübach, SVP

Bild: Ralph Ribi

Davon geht auch der Tübacher Gemeindepräsident nach dem Rundgang vom Kybunpark übers Breitfeld zur Kaserne Neuchlen-Anschwilen aus:

«Wir haben den Zentralvorstand mit unserer Infrastruktur überzeugt. Wir werden in St.Gallen ein Fest der kurzen Wege feiern.»

Festplatz, Logistik, Unterkünfte – aber auch die Verkehrserschliessung mit Autobahn, Bahn und Bus. «Vom Schlafen bis zum Festen» sei alles in nächster Nähe verfügbar. Der Spirit rund um den Slogan «St.Gallen schwingt mit» sei in der Gallusstadt bereits spürbar.

Matthias Berger, Vorstand Verein ESAF 2025

Matthias Berger, Vorstand Verein ESAF 2025

Bild: pd

In St.Gallen müsse man keinen Busbahnhof bauen, seien die Führungsräume der Polizei bereits da, die Erfahrungen rund um Grossanlässe wie den Fussballspielen des FC St.Gallen, dem CSIO im Gründenmoos, dem Open Air im Sittertobel oder der Olma längst gemacht, hatte zuvor Matthias Berger vom Verein ESAF 2025 ausgeführt:

«Wir haben das Dossier abgegeben: Jetzt müssen wir nur noch auf den Knopf drücken und los geht's!»

Rund 300'000 Zuschauer in St.Gallen erwartet

Es hätte ein redimensioniertes Schwingfest in Zug sein sollen: Stattdessen pilgerten 2019 über die drei Festtage rund 420'000 Besucher zum Festplatz. In St.Gallen rechnet das OK mit bescheideneren 250'000 bis 300'000 Besucherinnen und Besuchern. Die temporäre Arena, gebaut von der Hüttwiler Firma Nüssli, bietet 56'000 Plätze. Dafür wurde in einem Vorprojekt auch die Bodenqualität untersucht. Gemäss Sicherheitskonzept kann das Gelände innerhalb von 20 Minuten geräumt werden. Rundum den Kybunpark stehen 26 hochauflösende TV-Kameras zur Verfügung: Die polizeiliche Infrastruktur steht in der Loge zur Verfügung.

Kirchhofer: «In Sachen Betten sind wir gut dotiert»

Thomas Kirchhofer, Direktor von St.Gallen-Bodensee Tourismus, ist wegen der Unterkünfte nicht bang: «Wir haben rund 20'000 Betten rund um St.Gallen und weitere 4000 etwas weiter weg.» Innert 15 Minuten Fahrt stünden noch einmal rund 2000 Betten zur Verfügung. In der Parahotellerie in Stadtnähe gebe es 750 Wohnungen mit jeweils zwei bisdrei Betten. Auf dem 20 Hektar grossen Campingplatz ist Platz für 4000 Zelte (12'000 Menschen), 2500 Wohnmobile (rund 10'000 Menschen). Den Schwingern und Funktionären stehen in der Kaserne Neuchlen-Anschwilen 360 Betten zur Verfügung, erreichbar über eine direkte Strasse direkt am Festplatz. In der Kaserne Herisau werden die Steinstösser schlafen – hier hat es 350 Betten.

Ein 35-Millionen-Franken-Budget

Es ist eine Mischung aus Kaffeesatzlesen und Erfahrungen früherer Jahre: St.Gallen rechnet mit einem 35-Millionen-Franken-Budget. 15 Millionen Franken sollen über Sponsoring erbracht werden, die Festkarten der Schwinger machen nur 120'000 Franken aus.

Ein Fest der kurzen Wege

Von der Mitte der Arena bis zur Mitte des Festzeltes sind es 11 Minuten Fussweg. Ebenfalls 11 Minuten dauert es vom Festzelt bis zum Campingplatz. 1,1 Kilometer Distanz sind es von der Arenamitte bis zum Bahnhof Winkeln. Das Festgelände ist für Autofahrer über die A1, für Bahnreisende über Shuttletransporte ab dem Hauptbahnhof St.Gallen sowie die Bahnhöfe Herisau und Winkeln erreichbar.

Zwei neue Passerellen über die A1

Die Autobahn A1 teilt das Festgelände in zwei Hälften. Der Zugang zum Festgelände wird über die bestehende Autobahnbrücke, zwei bestehenden Unterführungen und zwei zusätzliche Passerellen sichergestellt.

Nachhaltigkeit hochhalten, Naturschutz früh eingebunden

Coop, Migros, Spar: Egal, welcher Lebensmittel-Grossverteiler am Fest zum Zug kommt: Sie können – weil in unmittelbarer Nähe – alle praktisch ab Rampe liefern. Der Naturschutzverein St.Gallen und Umgebung wurde von Beginn weg in die Planung eingebunden: Das Schutzgebiet für die Gelbbauchunke oberhalb des Festgeländes wird nicht angetastet.

280 Schwinger, 400 Hornusser, 85 Steinstösser in Frauenfeld

Das letzte Eidgenössische Schwing- und Älplerfest in der Ostschweiz wurde im Jahr 2010 in Frauenfeld ausgetragen. 275 Schweizer und fünf Auslandschweizer traten beim Schwingen gegeneinander an. Zudem waren 85 Steinstösser und 400 Hornusser vertreten.

250'000 Besucher konnten Wenger Kilian dabei zusehen, wie er mit 79.00 Punkten seinen ersten eidgenössischen Kranz gewann. Dabei wurde natürlich auch fleissig konsumiert: 207'000 Liter Bier, 20'000 Flaschen Wein und insgesamt 100'000 Kaffee gingen über die Theke. Klarer Sieger beim Essen: Brot und Gebäck mit 25'000 Kilogramm, gefolgt vom Fleisch mit 23'000 Kilogramm, zusammengesetzt aus 80'000 Würsten, 6000 Schweinesteaks und 4000 Poulets. Mit dieser Menge an Essen hätten rund 1100 Schweizer über ein Jahr lang mit Brot und Fleisch versorgt werden können.

Das 90 Hektar grosse Festgelände wurde von rund 4000 Helferinnen und Helfern betreut, welche insgesamt 70'000 Stunden damit verbrachten, vor, nach und während des Festes einen reibungslosen Ablauf sicherzustellen. Zudem wurden rund 5000 Mannstage der Armee aufgewendet.

Während der ganzen Veranstaltung wurden rund 122 Tonnen Abfall produziert, was dem Gewicht von 20 männlichen Elefanten entspricht. (sae)