In den Volksschulen unterrichten immer weniger Männer. An der Pädagogischen Hochschule Rorschach wurde über die Frage diskutiert, ob dies verhängnisvoll sei oder nicht. Am Podium kam eine gewisse Ratlosigkeit zum Ausdruck.
RORSCHACH. Wenn männliche und weibliche Welten aufeinandertreffen, so sagt der Volksmund, seien Zahlen das eine, die gefühlte Wirklichkeit das andere. Tatsache ist, dass gegenwärtig neun von zehn Studierenden für die Lehrtätigkeit an Primarschulen Frauen sind. An der St. Galler Volksschule unterrichten heute 73 Prozent Frauen, Tendenz steigend.
Dieser Tatsache konnte sich das Podium von Fachleuten aus Schule, Forschung und Bildung nicht verschliessen. Es hat aber trotzdem den Spagat geschafft, einer «Feminisierung des Lehrberufs» zu widersprechen. «Lehren kann man lernen, und zwar unabhängig vom Geschlecht», lautete die Botschaft. Das hatte niemand bezweifelt.
Doch die Frage drängte sich auf: Könnte es mit der Untervertretung der Männer im Lehrkörper vielleicht doch etwas Tiefergehendes auf sich haben? Fehlt da etwas? «Ich vermisse die Männer», erklärte Studentin Michelle Scherer frisch von der Leber weg. «Männer bringen Power in die Frauenharmonie», sagte sie.
Eine wissenschaftliche Analyse von Thomas Rhyner ging in die andere Richtung.
«Schulleistungen von Kindern und das Geschlecht der Lehrperson haben nichts miteinander zu tun», erklärte der Forscher und verwies auf Studien. Die Debatte lenke vielmehr davon ab, dass Knaben zwar zu wenige männliche Bezugspersonen hätten – jedoch nicht in der Schule, sondern zu Hause. «Es braucht mehr Männer in den Elternhäusern», sagte er.
Ist die Schule also nur ein Spiegelbild eines tiefergehenden gesellschaftlichen Problems? Die These von der «Unter-Väterung» fand Zustimmung. Esther Friedli, Generalsekretärin des Bildungsdepartements: «Viele Kinder wachsen heute allein bei der Mutter auf.» Den Buben fehle die Auseinandersetzung mit einem männlichen Vorbild. Auch deshalb fordere sie mehr Lehrer-Männer.
Warum stellen sich Männer dieser Herausforderung nicht? Warum «unter-vätern» sie die Gesellschaft und ziehen sich aus Bildung und Erziehung zurück? Antworten auf diese Fragen blieben rar. Natürlich war von mangelnder Wertschätzung der Lehrer die Rede, von respektlosen Eltern, vom überlangen Studium, vom Lohn, der mit der freien Wirtschaft nicht mithalten könne. Der Lehrerberuf, so war man sich einig, ist ein harter Job. Aber das gilt für Lehrerinnen ebenso. Lacher folgten am Podium auf Bemerkungen, die mit Rollenbildern spielten.
So etwa «Männer brauchen halt länger, bis sie sich entscheiden», darum falle es ihnen wohl schwerer, sich auf eine Lebensberufung wie Lehrer festzulegen. «Sie tun sich den Stress mehrerer Aufgaben nicht an», war weiter zu hören. Ausserdem seien sie fixiert auf Status und Karriere.
Am Podium wurden umgekehrt auch Studien erläutert, die zeigen, dass Frauen bei der Partnerwahl der Status ihres Gatten sehr wichtig ist. Sozial kompetente «Softies» haben demnach klar schlechtere Karten als erfolgreiche «Alphatiere».
Wohl nicht ganz zufällig blieb es dem Kabarettisten Tobias Bücklein vorbehalten, diesen Widerspruch satirisch zu beleuchten.