ZEITVORSORGE: Rentner sollen Rentnern helfen

ST.GALLEN. Am Dienstag hat das St. Galler Stadtparlament sehr klar Ja zum Modell der Zeitvorsorge gesagt. Es sieht vor, dass Rentner Aufgaben in der Altersbetreuung übernehmen und so Zeitgutschriften für die eigene spätere Betreuung sammeln.

Reto Voneschen
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Das Zeitvorsorge-Modell sieht vor, dass rüstige Rentner nicht mehr so fitte Senioren zu Hause oder im Heim unterstützen. Dienstleistungen könnten das Einkaufen, Putzen im Haushalt, aber auch das Vorlesen der Zeitung sein. (Bild: ky/Gaetan Bally)

Das Zeitvorsorge-Modell sieht vor, dass rüstige Rentner nicht mehr so fitte Senioren zu Hause oder im Heim unterstützen. Dienstleistungen könnten das Einkaufen, Putzen im Haushalt, aber auch das Vorlesen der Zeitung sein. (Bild: ky/Gaetan Bally)

Mit dem Modell der Zeitvorsorge in der Altersbetreuung betritt die Stadt St. Gallen schweizweit Neuland. Das Projekt sieht vor, dass Personen in der dritten Lebensphase (von der Pensionierung bis in die Siebziger hinein) einfache Aufgaben in der Betreuung von Personen in der vierten Lebensphase (über 80) übernehmen. So sammeln sie bis zu einer definierten Obergrenze Zeitgutschriften für die Betreuung in der eigenen vierten Lebensphase.

Freiwillige anwerben

Ein Ziel der Zeitvorsorge ist, Seniorinnen und Senioren vor dem Wechsel ins Heim den möglichst langen Verbleib in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. Was massiv Kosten in der Alterspflege sparen hilft. Mit dem Rentner-Einsatz in der Altersbetreuung zu Hause und im Heim soll zudem der sich abzeichnende Mangel an Fachpersonal etwas kompensiert werden. Und natürlich besteht die Hoffnung, dass Personen, die sich in der Altershilfe engagiert haben, dies freiwillig weiter tun, auch wenn sie die maximal mögliche Zeitgutschrift auf dem Konto haben.

Eine günstige Lösung

Die Umsetzung des Konzepts übernimmt eine Stiftung zusammen mit Spitex, Pro Senectute und anderen Organisationen. Am Stiftungskapital beteiligt sich die Stadt mit 30 000 Franken. Ab 2013 erhält die Stiftung zudem einen Beitrag von jährlich 150 000 Franken, in den Aufbaujahren 2013 und 2014 zusätzlich je 75 000 Franken. Als Garantie für jene, die Zeitgutschriften sammeln, und für den Fall, dass später Zeitgutschriften nicht durch andere Rentner «abgearbeitet» werden können, wird zudem ein Fonds von 3,4 Millionen Franken eingerichtet.

Stadtrat muss Bericht erstatten

Diese Beträge wurden vom Stadtparlament am Dienstag samt und sonders sowie mit jeweils klaren Mehrheiten gutgeheissen. Mit Ausnahme der SVP, die sich ein Modell wünschte, dass mehr auf Solidarität und weniger auf Profitdenken basiert, waren alle Parlamentsfraktionen grossmehrheitlich für das Modell der Zeitvorsorge. Der Versuch der FDP, den Garantiefonds zu kippen scheiterte. Angenommen hingegen wurde ein Antrag aus den Reihen der CVP, der Stadtrat müsse dem Parlament in fünf Jahren Bericht über Erfolg und Stand des Projektes erstatten.

«Reine Schwarzmalerei»

Grundsätzlich bekämpft wurde das Zeitvorsorge-Modell von Basil Oberholzer (junge Grüne), der in den Abstimmungen Gesellschaft von einem einzelnen SPler und den SVPlern erhielt. Oberholzer kritisierte, dass das Modell auf demographischer Schwarzmalerei beruhe und wirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt einfach ausklammere. Die Zeitvorsorge untergrabe den Ruhestand und erhöhe den Druck für ein höheres Pensionsalter. Wenn man etwas tun wolle, müsse man echte Verbesserungen in der Altersvorsorge anstreben, forderte Oberholzer.

Alterspflege: Engpässe absehbar

Der Stadtrat sei sich bewusst, dass bei der Umsetzung des Projektes viele Fragen und Details geklärt werden müssten. Es gebe auch das Risiko, dass das Vorhaben scheitere. Beides habe man verheimlicht, hielt der städtische Sozialdirektor Nino Cozzio in der Parlamentsdebatte dagegen. Anderseits sei die Zeitvorsorge aber ein Mosaikstein, um die sich abzeichnenden Probleme in der Altersbetreuung zu entschärfen. Und angesichts demographischer Tatsachen komme man nicht darum herum, nach Lösungen für sich abzeichnende Probleme zu suchen. Dass es daneben weitere Massnahmen brauchen werde sei aber klar, sagte Cozzio.

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