Vom wilden Bad zur Badi

RORSCHACH. Die Genossenschaft Strandbadfreunde Rorschach hat am Mittwochabend ihre Auflösung beschlossen. Ein Blick ins Archiv zeigt, wie sich das Strandbad unter ihrer Führung vom kritisierten «Sozibad» zur beliebten Bademeile mauserte.

Otmar Elsener
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Mit Kiesstrand und ohne Bassins mausert sich das Strandbad bis in die Fünfzigerjahre, aus denen die Luftaufnahme stammt, zur beliebten Badi. (Bilder: Archiv Strandbad-Genossenschaft)

Mit Kiesstrand und ohne Bassins mausert sich das Strandbad bis in die Fünfzigerjahre, aus denen die Luftaufnahme stammt, zur beliebten Badi. (Bilder: Archiv Strandbad-Genossenschaft)

Vor 82 Jahren beschloss der Verein Strandbadfreunde Rorschach, sich in eine Genossenschaft umzuwandeln. Das ermöglichte es, auf einer Schuttanlage zwischen der einstigen Flughalle und dem Schlachthof ein Strandbad zu bauen. Dort war bisher an schönen Wochenenden von Hunderten «wild» gebadet worden.

Gründer bleibt hartnäckig

Es war dem Initianten Edi Bandi, einem SBB-Kondukteur, gelungen, sich gegen heftigen Widerstand von politischer und kirchlicher Seite durchzusetzen; die Gemeinde Rorschach verweigerte zuerst die Bewilligung für Bau und Betrieb aus seuchen- und sanitätspolizeilichen Gründen, und das katholische Pfarramt wehrte sich strikt gegen ein Gemeinschaftsbad. Ohne Bandis Hartnäckigkeit wäre das Strandbad wohl nie entstanden. Seine Einsprachen wurden vom Regierungsrat geschützt, und am 12. Juli 1932 erhielt er für die Genossenschaft die Baubewilligung mit der Auflage, das Gelände mit einer 2,3 Meter hohen Betonplattenwand einzuzäunen und alles «vorzukehren, was zur Sittenwahrung diene».

Bau in Krisenjahren

Freiwillige leisteten noch im gleichen Jahr Tausende von Arbeitsstunden mit Pickel und Schaufel, um für den Rest des Sommers ein Provisorium herzurichten. Die 87 Genossenschaftsmitglieder sammelten ein Kapital von 24 000 Franken, der damalige Konsumverein (heute Coop) beteiligte sich mit 10 000 Franken – und arbeitete bis 1986 eng mit der Genossenschaft zusammen. Im Winter 1932/33 wurden nach einem Projekt von Architekt Stärkle das Eintrittsgebäude und die Umkleidekabinen gebaut. Im Sommer 1933 folgte die Wettschwimmbahn mit betonierten Startbrücken. Streit gab es mit den Zollbehörden wegen des benötigten Kies aus Deutschland für die Strandanlagen. Bandi argumentierte erfolgreich: Der Kies stamme aus dem See und werde wieder im See versenkt. Bereits im ersten Betriebsjahr wurden 35 000 Eintritte gezählt.

Das Bad der Arbeiter

Die Genossenschaftsmitglieder und die Besucher stammten hauptsächlich aus Bähnler- und Arbeiterkreisen, und das neue Bad erhielt rasch die abschätzigen Namen «Sozibad» oder «Konsumbädli», einerseits aus der damaligen Angst vor dem Kommunismus und andererseits wegen der Unterstützung durch die Konsumgenossenschaft. Gemeinden und Kirche verhielten sich weiterhin abweisend. Der Stadtrat Rorschach fürchtete die Konkurrenz zur städtischen Badanstalt und der Gemeinderat Rorschacherberg schrieb im Juli 1933 schriftlich vor, wer einen über die Mauer gespielten Ball holen wolle, müsse ordnungsgemäss bekleidet zum Tor hinausgehen. Bandi bat den Schulrat vergeblich um Schwimmunterricht für die Schüler im Strandbad statt in der Badhütte, wo nach Geschlechtern getrennt gebadet wurde. Weil kirchliche Kreise die Eltern davon abhielten, Kinder ins Strandbad zu schicken, lehnte der Schulrat ab, da die Lehrer die Kinder nicht zwingen konnten. Der Stadtrat Rorschach fragte an, ob es nicht möglich wäre, wenigstens an einem Tag eine Geschlechtertrennung einzuführen.

Attraktives Bad trotz Widerwille

Doch mit der Zeit schlug im Rathaus Rorschach die Stimmung um. Die Stadt bewilligte ein Darlehen und subventionierte den Betrieb ab 1948 jährlich mit 2000 Franken. Noch hatte die Genossenschaft das Sagen. Ein neuer Sprungturm, ein Kinderplanschbecken und eine grössere Spiel- und Liegewiese machten das Bad Anfang der 1950er besonders für Familien attraktiv. Edi Bandi, 30 Jahre Präsident der Genossenschaft bis 1961, konnte sich freuen. Trotz aller Widerwärtigkeiten entwickelte sich das Strandbad zu einem der beliebtesten Bäder am See, besonders aus der Stadt St. Gallen reisten die Badelustigen in Scharen an.

Das Strandbad im Sommer 1932, gleich nach der Gründung.

Das Strandbad im Sommer 1932, gleich nach der Gründung.

Edi Bandi Strandbad-Initiant

Edi Bandi Strandbad-Initiant