Mit 62 Jahren in ein fremdes Land zu ziehen, braucht Mut. Die Hannoveranerin Margot Düerkop war mutig und zog vor eineinhalb Jahren zu ihrem Partner Hans Dütsch nach Gossau. Ein trauriges Schicksal hatte sie zusammengebracht.
GOSSAU. Margot Düerkop hat es getan. Im Dezember 2010 packte sie ihr Hab und Gut zusammen und verliess die Heimat. Seither lebt die gebürtige Hannoveranerin mit ihrem Partner Hans Dütsch in dessen Wohnung inmitten von Gossau. Bereut habe sie den Schritt nicht, sagt die heute 64-Jährige, obwohl sie zuvor nur einmal hier gewesen sei. «Ich bin von seiner Familie und seinen Freunden so herzlich aufgenommen worden; an eine Rückkehr habe ich nie gedacht.» Margot Düerkop hat hier schnell Fuss gefasst. Das sagt Hans Dütsch, und der Blick des gebürtigen Winterthurers verrät: Er ist stolz auf «seine Margot». Sie ging hinaus, unter die Leute, suchte Kontakt. Und den fand sie. Ziemlich schnell. Auch dank ihrer offenen, unkomplizierten und fröhlichen Art, die einem nicht lange verborgen bleibt. Als Ausländerin habe sie sich nie eingestuft gefühlt, sagt Margot Düerkop, trotz ihrer Sprache, die ihre Herkunft im Nu verrät.
19 Monate sind seit dem Umzug vergangen. 19 Monate, in denen der Alltag in ihr noch junges gemeinsames Leben eingekehrt ist. Ein Alltag, in dem auch die Unterschiede der – so sollte man meinen – gleichen Sprache, der Mentalität und der Lebensgewohnheiten zu Tage kommen. Hans Dütsch weiss viele Anekdoten zu erzählen, und das tut er mit viel Humor. Da ist zum Beispiel jene, als er sie bat, ihm eine Pfanne zu reichen. «Doch statt einer Bratpfanne gab sie mir einen Kochtopf.» Oder jene, als sie nachmittags um drei Uhr den Tisch für eine Tasse Kaffee und ein Stück Kuchen herrichtete und er sich deswegen verwundert die Augen rieb. In Deutschland sei das eben üblich, sagt Margot Düerkop achselzuckend. Nicht aber in der Schweiz. Heute würden die beiden Pensionäre die deutsche Tradition immer mal wieder pflegen. «Gibt's Süsses am Nachmittag, lassen wir einfach den Znacht weg», sagt Hans Dütsch und schmunzelt. Das Erlebte der vergangenen eineinhalb Jahre löst bei den beiden immer wieder ein herzliches, unbeschwertes Lachen aus.
Ein Lachen, das sie vor ihrer gemeinsamen Zeit verloren zu haben glaubten. Damals, als beiden fast zeitgleich ein tragisches Schicksal widerfuhr. Kennengelernt haben sich Margot Düerkop und Hans Dütsch vor 14 Jahren. Beide verbrachten mit ihren damaligen Ehepartnern Ferien auf einem Campingplatz in den USA. Die vier verstanden sich auf Anhieb. In den darauffolgenden Jahren traf man sich regelmässig. Mal in Amerika, mal in der Schweiz. Auf Sommer 2009 war ein weiteres Treffen zu viert abgemacht worden. Doch dazu kam es nicht. Ein halbes Jahr zuvor starb zuerst Hans Dütschs Frau, mit der er 49 Jahre verheiratet war, an einem Hirninfarkt und dann, kurze Zeit später, verlor Margot Düerkop ihren Mann nach 43 Ehejahren bei einem Verkehrsunfall. Das Wissen beider, einen geliebten Partner und einen guten Freund verloren zu haben, liess sie den Kontakt aufrechterhalten. «So konnten wir uns in unserer Trauer gegenseitig stützen», sagt Hans Dütsch. Und das habe sie immer näher zusammengebracht. Es sei einfacher, sagt Margot Düerkop, mit jemandem darüber zu reden, der dasselbe Schicksal erlitten habe. Sie stockt. Ihre Augen sind gerötet. Die Erinnerung schmerzt. Hans Dütsch nimmt ihre Hand und drückt sie. Das Verständnis sei da, wenn es dem anderen schlecht gehe und er nur in den Arm genommen werden möchte.
Ins Schneckenhaus zurückziehen wollten sie sich beide nicht. Irgendwann müsse man wieder «raus», sagt Margot Düerkop, einen Neustart wagen. Und das haben beide getan. Dass es sich gelohnt hat, zeigt das Lächeln, das in diesem Moment über beider Lippen huscht.