VERURTEILT: 69 oder «nur» 30 Stundenkilometer zu schnell?

Ein Motorradfahrer geriet 2014 in eine Geschwindigkeitskontrolle. Das Gerät gab 149 statt der erlaubten 80 Stundenkilometer an. Der Messwert könne nicht stimmen, sagte der Beschuldigte jetzt vor Gericht.

Drucken

Ein 50-jähriger Schweizer war im März 2014 kurz nach 18 Uhr von Engelburg in Richtung Hohfirst-Waldkirch unterwegs. Nach dem Weiler Locherhof beschleunigte er das Motorrad auf der Hauptstrasse. Die Fahrbahn war laut Anklageschrift trocken, das Wetter schön und die Sichtverhältnisse waren nicht eingeschränkt. An der Strecke nahm die Polizei aber Tempokontrollen vor. Als die Lasermessung das Motorrad erfasste, registrierte es eine Geschwindigkeit von 149 Stundenkilometern. Damit wäre das Motorrad 69 Stundenkilometer zu schnell unterwegs gewesen. Das gilt als qualifizierte, grobe Verletzung der Verkehrsregeln.

Wurde die Tempomessung nicht richtig ausgeführt?

Der Motorradfahrer stellte sich an der Verhandlung am Kreisgericht St. Gallen auf den Standpunkt, das Lasermessgerät sei nicht korrekt bedient worden, da vorgängig der vorgeschriebene Test nicht durchgeführt worden sei. Zudem habe keine freie Sicht bestanden, weshalb das Gerät Fehler nicht richtig habe aussortieren können. Auch die Videoaufnahmen seien nicht plausibel.

Es sei einer der ersten schönen Frühlingstage gewesen, weshalb er sich entschlossen habe, mit seinem Motorrad nach Feierabend eine kurze Ausfahrt zu machen, erzählte der Beschuldigte. Er habe nach dem Weiler ganz kurz Gas gegeben und gleich wieder entschleunigt. Dies sei aus «einem Moment des Übermutes und der Freude über das schöne Frühlingswetter» passiert. Es sei möglich, dass er kurzfristig 100 oder 110 Stundenkilometer gefahren sei, aber niemals mit Tempo 149. Er fahre seit seinem 18. Lebensjahr Motorrad und wisse, wie sich die verschiedenen Geschwindigkeiten anfühlten.

Im Anschluss an die Aussage diskutierte das Gericht viele technische Detailfragen über Lasermessungen. Zur Klärung der sich widersprechenden Meinungen zog es einen Experten bei. Er stellte sich auf den Standpunkt, dass das Lasermessgerät den richtigen Wert angegeben habe. Er hatte nämlich aufgrund von Videoaufnahmen eine Nachmessung erstellt.

Töfffahrer ging ein hohes Risiko ein

Mit diesem Gutachten sei die Richtigkeit der Messung erwiesen, erklärte der Staatsanwalt und beantragte einen Schuldspruch. Als Sanktion forderte er eine bedingte Freiheitsstrafe von 14 Monaten und eine Busse von 5000 Franken. Der Beschuldigte anerkenne zwar, dass er einen Fehler gemacht habe, doch wolle er nicht wahrhaben, dass er so schnell gefahren sei. Mit seiner rasanten Fahrt sei er aber das hohe Risiko eines Unfalles mit Schwerverletzten oder Todesopfern eingegangen, sagte der Staatsanwalt.

Der Verteidiger beantragte, sein Mandant sei nicht der qualifizierten, schweren, sondern lediglich der groben Verletzung der Verkehrsregeln schuldig zu sprechen. Er sei mit einer bedingten Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 200 Franken und einer Busse von 2400 Franken zu bestrafen. Die Zweifel an der Richtigkeit der Messwerte seien durch den Experten nicht ausgeräumt worden, sagte der Verteidiger. Er habe ja selber darauf hingewiesen, dass er kein profunder Kenner eines Lasermessgerätes sei.

Sein Mandant habe ausser sich selber niemanden gefährdet, da keine anderen Verkehrsteilnehmer auf der übersichtlichen Strasse gewesen seien, betonte der Verteidiger weiter. Er sei zwar kurz mit erhöhter Geschwindigkeit unterwegs gewesen, doch habe es sich nicht um ein Raserdelikt gehandelt. Der Beschuldigte habe sein Motorrad zwangsverkaufen müssen und habe seinen Job verloren, weil ihm für einige Monate der Fahrausweis entzogen worden sei und er diesen für die Ausübung seines Berufes zwingend gebraucht hätte.

Fürs Gericht war die Lasermessung korrekt

Das Kreisgericht St. Gallen hatte keine Zweifel, dass die Lasermessung korrekt war. Jedoch befand es die von der Anklage beantragte Sanktion als zu hoch. Es verurteilte den Mann wegen qualifizierter, grober Verletzung der Verkehrsregeln zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr mit einer Probezeit auf zwei Jahre. Die Verfahrenskosten, die der Beschuldigte bezahlen muss, betragen 11500 Franken. (cis)