RORSCHACH. Nur durch Zufall erfuhren Grundeigentümer an der Löwenstrasse, dass der Stadtrat die geplante Strassenunterführung durchs Grundstück an der Löwenstrasse 3 führen wolle. Sie sind schockiert und vom Vorgehen der Stadt enttäuscht.
Seit 14. April liegt das SBB-Projekt zur Doppelspur und zum Neubau von Bahnhof und Bushaltestelle Rorschach Stadt beim Amt für Bau und Stadtentwicklung auf. Als Eigentümer der Löwenstrasse 5, seewärts des Bahnhofs gelegen, sind Madeleine und Franz Kuhn vom Projekt betroffen; die SBB wollen einen Streifen ihres Landes abkaufen. Kein Wunder, dass das Paar an jenem 14. April die Pläne beim Amt für Bau und Stadtentwicklung begutachtete.
Auf das, was sie vor Ort erfuhren, waren sie aber völlig unvorbereitet. «Die Stadt plant ja in Bahnhofnähe eine Strassenunterführung, die in den SBB-Plänen provisorisch eingezeichnet ist. Diese war uns samt Linienführung von den Informationsabenden für Grundeigentümer her bekannt», sagt Madeleine Kuhn, die einen Mitarbeiter fragte, wie weit man denn mit dieser Unterführung sei. «Er antwortete, die gezeigte Variante sei zweitrangig, zurzeit plane die Stadt die Unterführung durchs Grundstück an der Löwenstrasse 3. Wir sagten nichts und gingen schockiert nach Hause. Seither fühlen wir uns enorm unwohl in Rorschach», so Madeleine Kuhn. Sie betont, sie habe keine Ahnung davon gehabt, dass zur Diskussion stehe, die Unterführung direkt an ihrem Grundstück vorbei zu führen. Dies würde nicht nur ihre Lebensqualität, sondern auch den Wert der Liegenschaft verringern. «Es kann doch nicht sein, dass der Stadtpräsident in dieser Situation nicht transparent informiert, so geht man doch nicht mit den Bürgern um! Seit ich's weiss, zermürbt mich diese Angelegenheit», macht Kuhn ihrem Ärger Luft. Ihr Mann äussert sein Bedauern, dass die Stadt mit dem Bau der Unterführung die letzte grüne Oase in Zentrumsnähe verlieren würde.
Kuhns stehen mit ihrer Meinung nicht allein da – auch Reto Forster, Eigentümer der Löwenstrasse 1, stösst die bisher unbekannte zweite Linienführung der Strassenunterführung sauer auf. Seine Nachfrage beim Eigentümer des Hauses Löwenstrasse 17a bestätigte die Vermutung, die Stadt plane nicht weiter mit der im SBB-Plan abgebildeten Variante. «Sein Haus müsste bei dieser Variante der Unterführung weichen. An einem Infoabend für Grundeigentümer sagte man ihm, die Stadt käme wegen eines Kaufs der Liegenschaft auf ihn zu. Es hat sich nie jemand bei ihm gemeldet», sagt Reto Forster.
Stattdessen beobachteten die Nachbarn, dass Stadtpräsident Thomas Müller mit dem Goldacher Investor Beda Hutter an der Löwenstrasse 3 zu Gast war. Grundeigentümerin Monika Coulot bestätigt, dass sie mit der Stadt über einen Verkauf ihres Grundstücks verhandle. Weiter möchte sie dazu aber nicht Stellung nehmen, da diese Verhandlungen noch in Gang seien. Interesse an Monika Coulots Liegenschaft hat auch Nachbar Reto Forster, der mit ihr deswegen auch verhandelt. «Ich würde das Haus sehr gerne erwerben», sagt er, um bedauernd anzufügen: «Beim Angebot der Stadt kann ein Privater wie ich leider nicht mithalten.» Neu war ihm wie dem Ehepaar Kuhn, dass die Stadt das Nachbargrundstück für die Unterführung kaufen will.
Zur Unterführung gilt es zu sagen, dass sie unabhängig von der Linienführung sowohl vor dem Bund, der aus dem Aggloprogramm einen Kostenbeitrag von bis 40 Prozent in Aussicht stellt, als auch vor den Rorschacher Stimmbürgern bestehen muss. Letztere werden per Abstimmung über den Kostenanteil der Stadt entscheiden.