Damit sich die Tiere im Walter-Zoo nicht langweilen, werden sie mit verschiedenen Aktivitäten unterhalten. Früher nahm sich ihrer ein Dompteur an. Das braucht aber Mut und verlangt auch sonst einiges ab.
Angelina Donati
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Wie so manche Stubenkatze würde auch Viktor den ganzen Tag lang nur essen, wenn er könnte. «Ein Sibirischer Tiger kann während einer Mahlzeit bis zu 50 Kilo Fleisch verspeisen. Danach aber ist er gesättigt, so dass er für die nächsten 20 Stunden nur noch ruht», erklärt Ernst Federer, Direktor des Walter-Zoos. Tiger in der Wildnis seien ständig auf Futtersuche, allerdings sei nur jeder zehnte Versuch erfolgreich. «Diese Erlebnisse haben die Tiere im Zoo nicht. Damit sie nicht träge werden, ist es wichtig, sie zu beschäftigen.»
Noch vor ein paar Jahren hat sich Remo Müller der Tiger angenommen. Der gelernte Koch sammelte erst Erfahrungen im Zirkus und gelangte dann zum Walter-Zoo nach Gossau, wo er die Tierpflegerprüfung absolvierte und als Tiger-Dompteur fungierte. Der wohl gefährlichste Beruf überhaupt im Zoo? «Es braucht tatsächlich viel Mut. Aber auch das Verständnis gegenüber den Tieren darf nicht fehlen», sagt Federer.
Alle vier Tiere habe Remo Müller von klein auf begleitet – drei davon stammen aus der Aufzucht durch die Tigermutter und eins habe er von Hand aufgezogen. Genau dieses Tier könne aber am gefährlichsten werden: «Die meisten Unfälle passieren mit Tieren aus Handaufzucht. Sie sind so eng mit ihrer Bezugsperson verbunden, dass sie viel eher den Respekt verlieren.» Eine brenzlige Situation habe es bei den Vorführungen des Gossauer Tiger-Dompteurs glücklicherweise nie gegeben, sagt Federer. Das Allerwichtigste sei, sich stets als «Alphatier» behaupten zu können. Eine zentrale Funktion nehme auch der Tierpfleger ein, der direkt beim Gehege warte, höchst konzentriert beobachte und wenn nötig eingreife. «Noch gefährlicher als Tiger sind aber Schimpansen», sagt Federer. «Schimpansen haben eine enorme Kraft. Und sie sind sehr intelligent, etwa vergleichbar mit einem dreijährigen Kind. Gefährlich macht den Schimpansen zudem, dass er sich bewusst ist, dass er der Stärkere ist.»
Obwohl der Tiger-Meister im Zoo sehr angesehen war, stand von Vornherein fest, dass er nicht ewig bleiben wird. Erst gerade am Sonntag wurde er in der SRF-Sendung «Auf und davon – die Auswanderer ein Jahr danach» porträtiert. Er führt nun in Deutschland einen Tierpark und erfüllte sich damit einen Kindheitstraum. Familie Federer und er stehen noch immer in Kontakt und tauschen sich gerne aus.
Heute gibt es im Walter-Zoo sogenannte Tiertrainer, die den Tieren aber nie so nahe kommen wie der Dompteur. Zum einen legen sie Futter in eine Betonbox, die zu unregelmässigen Zeiten öffnet – so dass die Tiere immer wieder von sich aus nachschauen müssen. «Hunger ist der Motor, welcher die Tiger antreibt», sagt der Zoo-Direktor. Auch werden im Gehege Duftspuren gelegt und Gegenstände umplaziert. Übungen, die Körper und Geist fördern. Neu versucht sich der Zoo auch mit einem Medizinaltraining, ganz ohne Betäubung oder Ortswechsel. Mit Zurufen und einer späteren Belohnung wird das Tier ans Gitter gelockt und kann so vom Tierarzt aus der Nähe untersucht werden.
Beschäftigung ist nicht abhängig von der Jahreszeit, wie Federer betont. Und auch der Schnee kommt vielen Tieren wie gerufen. So etwa tollen die Schimpansen wie kleine Kinder herum und bewerfen sich mit Schneebällen. Auch Viktor und die neuzugezogene Tigerin Julinka fühlen sich bei kalten Temperaturen heimisch. «Sie sind sich bis zu 40 Grad minus gewohnt», erklärt Ernst Federer. Speziell während der Wintersaison, also bei weniger frequentierten Tagen, sei zudem jeder einzelne Besucher für die Tiere interessant und werde damit selbst zu einer Art Beschäftigung für sie.