THAL: In 1800 Teile zerlegt

Spezialisten renovieren derzeit die Orgel in der paritätischen Kirche. Sie nehmen sich jedes der 1800 Teile einzeln vor. Anfang März erklingt das unterschätzte Instrument wieder.

Jolanda Riedener
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Matthias Hugentobler kontrolliert, reinigt und stimmt jede Pfeife einzeln, bevor er sie wieder einbaut. (Bild: Jolanda Riedener)

Matthias Hugentobler kontrolliert, reinigt und stimmt jede Pfeife einzeln, bevor er sie wieder einbaut. (Bild: Jolanda Riedener)

Jolanda Riedener

jolanda.riedener@tagblatt.ch

Die paritätische Kirche in Thal erscheint in neuem Glanz. Gründlich restauriert, das heisst vor allem gereinigt, haben die beiden Kirchgemeinden das Gotteshaus vergangenen Sonntag bereits feierlich eröffnet. Bis auch die Orgel wieder erklingt, dauert es voraussichtlich aber noch bis am 8. März.

Die Empore ist gegenwärtig wegen Renovationsarbeiten für Kirchenbesucher geschlossen. Die einzelnen Bestandteile, darunter Hunderte Pfeifen in verschiedenen Grössen, sind in Regalen sortiert. Orgelbauer Matthias Hugentobler ist mit einem Kollegen dabei, die Zinnpfeifen zu reinigen. Russ, Dreck und Staub, der sich über die Jahre angesammelt hat, wird entfernt. Insbesondere in den Kernspalten der Pfeifen, dort wo der Ton entsteht, würden sich Ablagerungen ansammeln, die es zu entfernen gelte, bevor die Pfeifen wieder montiert werden.

Zurück zur mechanischen Orgel

Die mit einer elektrisch-pneumatischer Traktur ausgestattete Orgel in der Thaler Kirche besteht aus circa 1800 einzelnen Pfeifen. Keine leichte Aufgabe, die Teile wieder am richtigen Ort einzubauen? «Für uns ist es sonnenklar, wohin jede einzelne Pfeife gehört», sagt Hugentobler. Die elektrisch-pneumatische Funktionsweise der Orgel werde heute nicht mehr gebaut. Ein Grund sei die grössere Störungsanfälligkeit des Systems. «Man setzt heute wieder auf die rein mechanische Funktionsweise», sagt er.

Matthias Hugentobler arbeitet für die Firma Kuhn mit Sitz im zürcherischen Männedorf, die vor allem auch neue Kirchenorgeln herstellt. Gefragt sind die Arbeiten der Firma auch im Ausland. Das Schweizer Handwerk werde geschätzt. Tätig ist Hugentobler vorwiegend in der Ostschweiz und Graubünden. In seinem Beruf vereint er Handwerkliches mit musikalischem Gespür – er stimmt die Töne und richtet die Intonation der einzelnen Pfeifen. «Eine Orgel zu stimmen, das kann man mit Routine lernen», sagt Hugentobler. «Bei der Intonation, welche die Farbe oder die Qualität des Klangs ausmacht, braucht es hingegen vor allem Gespür.» Hugentobler interessiert sich für liturgische Musik und setzt sich hin und wieder selbst an die Orgel. Das Spielen auf dem Instrument mit drei Teilwerken – zwei Klaviaturen und Pedal – hat er sich selber beigebracht. «Ohne Begeisterung für das Instrument und die Musik würde mir mein Beruf nur halb so viel Spass machen», sagt er. Zwar habe die Kirchenorgel ein Imageproblem und werde mehr als Begleit- statt als Konzertinstrument wahrgenommen.

Arbeitsplatz in göttlicher Umgebung

Die Kirchen, Kapellen und Kathedralen, die seinen Arbeitsplatz darstellen, schätze er: «Ich habe wohl einen der schönsten Arbeitsorte.» Auch, wenn es manchmal doch sehr einsam sei. Die Ruhe ist aber gerade beim Stimm- und Intonationsvorgang unabdingbar. Dann würden kleinste Geräusche stören.

Die 1951 erbaute Orgel kostete zu jener Zeit 100324 Franken und 15 Rappen – heute kostet eine Kirchenorgel dieser Grösse durchschnittlich 700000 Franken. In der Regel würden Orgeln alle 20 Jahre revidiert. In Thal arbeiten Hugentobler und sein Kollege während circa drei Monaten an der Orgel. Projektleiter Andreas Fritsche habe die Handwerker deshalb lange im Voraus aufbieten müssen – es gibt in der Schweiz nur wenige Firmen, die Orgeln renovieren.