In einer Woche entscheidet die St. Galler Regierung, ob künftig der Kanton oder die Gemeinden für die Betreuung der unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden zuständig sein sollen. Damit geht ein monatelanger Streit zu Ende.
ST.GALLEN. Die Zahl der unbegleiteten Kinder und minderjährigen Jugendlichen, die in der Schweiz um Asyl ersuchten, ist mit 2736 Gesuchen im vergangenen Jahr stark angestiegen. 2014 waren es noch 795 gewesen. Im Kanton St. Gallen führten Probleme bei der Unterbringung zu Unstimmigkeiten zwischen Kanton und Gemeinden. Seither ist unklar, wer künftig für die Betreuung der jungen Flüchtlinge zuständig sein wird. Die Fronten waren verhärtet, eine Lösung des Konflikts schien weit weg.
Nun sind die Verhandlungen offenbar abgeschlossen. In einer Woche entscheidet die St. Galler Regierung, welches Betreuungsmodell künftig im Kanton St. Gallen gelten soll. Damit schöpft sie den Spielraum bis zur letzten Minute aus. Noch im Februar hatte sie dem Kantonsrat ihren Bericht bis Juni in Aussicht gestellt.
Auch im Kanton St. Gallen stieg die Zahl der Gesuche von alleinreisenden Kindern und Jugendlichen per Ende Jahr auf 153 (Vorjahr 40) deutlich an. Viele sind traumatisiert, entsprechend personalaufwendig, komplex und teuer ist die Betreuung. Die Unterbringung in den Asylunterkünften des Kantons kostet 115 Franken pro Tag. «Hochspezialisierte Angebote im Kinder- und Jugendbereich können bis zu 785 Franken pro Tag kosten», schreibt die Regierung in der Antwort auf eine Interpellation der SVP-Fraktion.
Jugendliche unter 14 Jahren werden wenn möglich in Pflegefamilien untergebracht – zwischen August und Dezember 2015 waren das zehn. Weil die Zuteilung und die Finanzierung der Pflegeverhältnisse der minderjährigen Asylsuchenden mit den Gemeinden derzeit noch nicht geklärt ist, leistet das kantonale Migrationsamt zwischenzeitlich Kostengutsprachen für die Aufenthalte in Pflegefamilien. Besondere Ansätze sind bisher keine vereinbart worden, laut Kanton gelten heute 58 bis 100 Franken pro Tag. «Derzeit halten sich 149 Jugendliche im Kanton auf», sagt Justizchef Fredy Fässler. «Acht sind in Pflegefamilien untergebracht und 21 zusammen mit Erwachsenen, etwa im Asylzentrum Landegg.» Das entgegen den Empfehlungen der Schweizer Sozialdirektoren von vergangener Woche. Diese halten fest, dass Jugendliche «nicht als <De-facto-Erwachsene>» zu behandeln und daher in eigenen Zentren unterzubringen seien. «In der Regel betreuen wir die 16- bis 18-Jährigen im Jugendprogramm des Zentrums Thurhof in Oberbüren», sagt Fässler. «Nur wenn da kein Platz ist, werden die über 17-Jährigen im Rahmen einer Notlösung im vorwiegend von Familien bewohnten Asylzentrum Landegg untergebracht.» Für Anfang Jahr war in Vilters die Eröffnung eines zweiten Zentrums für Jugendliche geplant, «aber da sind wir noch nicht so weit», sagt Fässler.
Im Kanton St. Gallen wurden bisher nur in Ausnahmefällen Beistandschaften errichtet, wie das erneut auch die Sozialdirektoren in Erinnerung rufen. Die St. Galler Lösung, die Ernennung einer Vertrauensperson während des Asylverfahrens, gilt demnach nicht als Alternative. Der Kanton wollte die Gemeinden bei der Budgetierung im Februar entlasten und zwei professionelle Beistände einstellen. Der Kantonsrat verweigerte sich allerdings dieser Forderung, nicht zuletzt aufgrund des Hickhacks zwischen Kanton und Gemeinden. Die Betreuung der Asylsuchenden sei im Kanton St. Gallen Sache der Kommunen.
Es deutet nun einiges darauf hin, dass sich die St. Galler Regierung in einer Woche am Rechtsgutachten des ehemaligen St. Galler Vizestaatssekretärs Markus Bucheli von Ende März orientieren wird. Auch er kommt zum Schluss, dass die Gemeinden im Kanton St. Gallen zuständig für die Betreuung der Asylsuchenden sind. Und sie müssen über die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde auch die Kosten etwa für die Beistandschaften tragen. Fredy Fässler will der Regierung nicht vorgreifen, aber er sagt mehrdeutig: «Wir haben uns mit den Gemeinden gefunden. Ich könnte mir künftig Wohngemeinschaften mit vier bis fünf minderjährigen Flüchtlingen unter einem Dach vorstellen. Sie können aber die Kollektivunterbringung in einer ersten Phase nicht ersetzen.»