ST.GALLEN: Seit Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt: Die bewegte Geschichte des spanischen Klubhauses

Der Stadtrat will dem Klubhaus mit einer Minimalsanierung eine Gnadenfrist von 15 Jahren gewähren. Das ist auch für historisch Interessierte ein Geschenk: Das Gebäude hat nämlich eine spannende Geschichte und ist durchaus erhaltenswert.

Reto Voneschen
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Das Klubhaus um 1900. Links und rechts sind die Flügel mit den Kegelbahnen in der Mitte der 1896 erstellte Wintergarten zu erkennen. (Bild: Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen)

Das Klubhaus um 1900. Links und rechts sind die Flügel mit den Kegelbahnen in der Mitte der 1896 erstellte Wintergarten zu erkennen. (Bild: Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen)

Von aussen gibt es heute tatsächlich nicht mehr viel her, das heruntergekommene Gebäude an der Klubhausstrasse 3. Man sieht ihm an, dass es schon viel mitgemacht hat, und auch, dass es seit den frühen 1980er-Jahren als Abbruchliegenschaft behandelt wird. Die Fassade blättert. Sandstein-Elemente sind beschädigt und durchs Alter unansehnlich geworden. Dachrinnen, Fenster und Türen haben auch schon bessere Zeiten gesehen. Und innen sieht es nicht viel besser aus: Neben provisorischen Reparaturen stechen Teile, die vor ein paar Jahren erneuert wurden, optisch richtig aus der alten Bausubstanz heraus. Darunter ist die WC-Anlage im Eingangsbereich.

Für Bauhistoriker und andere Liebhaber alter Gemäuer ist das Klubhaus genau darum interessant, weil es seit Jahrzehnten stiefmütterlich behandelt wird. Seit grösseren baulichen Veränderungen in den 1930er- und 1940er-Jahren gab’s keine massiven Eingriffe mehr. Die alte Bausubstanz ist weitgehend erhalten. Darunter dürften sogar Elemente sein, die aufs Baujahr 1889 zurückgehen. Ins Auge stechen auf einem Rundgang durch die Küche etwa Kacheln, mit denen ein Teil der Wände bedeckt ist. Und die Türe des Kühlraums erinnert an die Ausstattung alter Schweizer Filme. Sie würde hervorragend in die Kulisse von "Bäckerei Zürrer" oder auch von "Polizist Wäckerli" passen.

Innen- und Aussenansichten des Klubhauses auf einer Mehrbildkarte um 1910. (Bild: Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen)
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Das Klubhaus um 1900. Links und rechts sind die Flügel mit den Kegelbahnen und in der Mitte der 1896 erstellte Wintergarten zu erkennen. (Bild: Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen)
Das Innere des Wintergartens im Klubhaus auf einer Ansichtskarte um 1900. (Bild: Sammlung Peter Uhler)
Eine alte Werbetafel als Erinnerung an die Vergangenheit des Klubhauses als Vereinslokal. (Bild: Reto Voneschen)
Das Klubhaus 2011. (Bild: Reto Voneschen)
Die Eingangspartie des Klubhauses 2011. (Bild: Reto Voneschen)
In den 1980er-Jahren wollte die Post hinter dem Hauptbahnhof ein grosses Verteilzentrum einrichten. Im Bild das Siegerprojekt dafür. Ihm wären alle Altbauten – auch das Klubhaus – im Dreieck zwischen St.Leonhard-Strasse (links) und Rosenbergstrasse zum Opfer gefallen. 1995 wurde das Grossprojekt beerdigt. Vorne rechts im Bild Hauptbahnhof und Hauptpost. (Bild: Sammlung Reto Voneschen)
2014/15 lösten Abbruchpläne fürs Klubhaus heftige öffentliche Kritik aus – unter anderem wurden in der Stadt Kleber fürs Klubhaus platziert. (Bild: Sammlung Reto Voneschen)

Innen- und Aussenansichten des Klubhauses auf einer Mehrbildkarte um 1910. (Bild: Stadtarchiv der Ortsbürgergemeinde St.Gallen)

Der letzte Gesellschaftssaal aus der Zeit der Textilblüte

Das Klubhaus ist trotz (oder gerade wegen?) seines Zustandes ein äusserst beliebter Treffpunkt. Mit dafür verantwortlich ist neben dem Ambiente im letzten der alten Gesellschaftssäle aus der Zeit der Textilhochburg St.Gallen sicher der "Hogar Español". Der Spanierklub, der von einem Verein mehrheitlich immer noch ehrenamtlich betrieben wird, ist 1981 im Klubhaus eingezogen. Dies, weil sein altes Domizil, die Textilfabrik am Anfang der Langgasse, abgebrochen wurde.

Gedacht waren die Spanierinnen und Spanier als kurze Zwischennutzung in einem Gebäude, das damals auf der "Abschussliste" stand. Hinter dem Hauptbahnhof plante die Post in den 1980er-Jahren ein grosses Verteilzentrum. Ihm wären alle Bauten im Dreieck St.Leonhard- und Rosenbergstrasse zum Opfer gefallen. Nach langer Planerei und vielen Diskussionen wurde dieses Grossprojekt 1995 allerdings aufgrund von Veränderungen am nationalen Konzept der Postverteilung aufgegeben.

Die Stadt will nicht, die Stadt muss doch

Seither wird das Klubhaus hin und her geschoben. Von der Post ging es 2002 für 470'000 Franken an eine Genossenschaft, die es explizit für den Betrieb des "Hogar Español" erhalten und sanieren wollte. Sie warf 2013 das Handtuch, weil sich die geschätzten fünf Millionen Franken für eine schrittweise Gesamtsanierung nicht auftreiben liessen. Das Klubhaus ging an drei Ausgleichskassen, nachdem die Stadt kein Interesse gezeigt hatte, ein Vorkaufsrecht auszuüben.

Die drei Ausgleichskassen wollten das Klubhaus abbrechen und einen Büroneubau aufstellen. Diese Planung löste öffentliche Kritik und politische Vorstösse aus. Der Abbruch des Klubhauses wurde zuerst von Ende 2014 auf Sommer 2015 verschoben. Dann warfen auch die Ausgleichskassen das Handtuch – und die Liegenschaft ging nun halt doch an die Stadt über.

2016 wurde im Rahmen eines partizipativen Verfahrens eine Testplanung zur Aufwertung und Belebung des Areals hinter dem Hauptbahnhof durchgeführt. Der Planungshorizont für die Umsetzung des erarbeiteten Konzeptes wird jetzt auf rund 15 Jahre veranschlagt. Und für diese Frist will der Stadtrat das Klubhaus in diesem Jahr mit einer Minimalsanierung fit machen. Dafür soll das Stadtparlament 1,825 Millionen Franken sprechen.

Das Arbeiterquartier "hinter den sieben Gleisen"

Die Geschichte des Klubhauses beginnt allerdings viel früher. 1856 wurde der Hauptbahnhof und die Eisenbahnlinie nach Zürich eingeweiht. Damit gab’s auf der alten Güggisbleiche plötzlich ein Vor und ein Hinter den Gleisen. Die Überbauung des Gebiets hinter dem Hauptbahnhof, also zwischen den Gleisen und der Rosenbergstrasse, wurde nicht gesamtheitlich geplant, sondern entstand eher zufällig.

1885 bis 1889 erstellte Baumeister Wilhelm Dürler die Häuserzeile Rosenbergstrasse 69 bis 81. Der gleiche Bauherr stellte 1889 das Klubhaus auf. Erste Eingaben und Pläne dafür datieren von 1885, die eigentlichen Baupläne im Bauarchiv der Stadt sind auf 1888 datiert.

Ursprünglich war der Neubau ein hufeisenförmiges Wohn- und Geschäftshaus mit Restaurant. In den beiden Flügeln waren Kegelbahnen untergebracht. Dazwischen lag eine nach Süden offene Terrasse. 1896 wurde diese zu einem Wintergarten umgestaltet. Drei Jahre später wurden die bis dahin eingeschossigen Kegelbahnflügel aufgestockt. Späteren Umbauten fiel auch der Wintergarten zum Opfer, womit der heutige saalähnliche Teil des Restaurants entstand.

Treffpunkt für Arbeiter, Pöstler und Bähnler

In der Anfangszeit war das Klubhaus ein "Arbeiterpalast", wie Niklaus Ledergerber, Leiter der städtischen Denkmalpflege, 2016 in einem "Tagblatt"-Artikel zitiert wird. Ab 1900 war es jahrzehntelang aber vor allem auch ein Treffpunkt für Pöstler, Bähnler und ihre Vereine. Die soziale und kulturelle Durchmischung hat an diesem Ort also Tradition und wird auch bis heute gepflegt.

Heute sei das Klubhaus "als Ort gelebter Integration von besonderem gesellschaftlichem Wert für St.Gallen". Aufgrund der sozialhistorischen Bedeutung sowie der originellen architektonischen Gestalt sei zudem auch der Bau schützenswert, heisst es folgerichtig in einem Gutachten der Denkmalpflege von 2005.

Nicht mehr im Inventar schützenswerter Bauten

Allerdings: Geschützt ist das Klubhaus heute nicht mehr. 2010 nahm es der Stadtrat – entgegen der Empfehlung der Denkmalpflege – aus dem Inventar schützenswerter Bauten, um die Arealentwicklung an der Lagerstrasse vorantreiben zu können. Im Moment ist die Unterschutzstellung des Hauses kein Thema. Diese Frage werde wieder aktuell, wenn man in 15 Jahren entscheiden müsse, wie es im Gebiet Bahnhof-Nord baulich weitergehen solle, heisst es dazu bei der städtischen Bauverwaltung.