RORSCHACHERBERG. Auch ein Jahr nach Abschluss des Projekts «Quartierarbeit Wiesental» wirkt die Integrationsarbeit nach. Doch jetzt steht sie laut Initiantin Mirjam Dolci an einem kritischen Punkt: Drei Schlüsselpersonen geben ihre Tätigkeit auf.
Die Integrationsarbeit im Rorschacherberger Quartier Wiesental ist ein Vorzeigeprojekt: Zum Abschluss wurde es Ende 2010 mit dem St. Galler Integrationspreis «Der Goldene Enzian» ausgezeichnet. Doch was ist jetzt, ein Jahr später, vom goldenen Glanz übriggeblieben? Initiantin Mirjam Dolci zieht eine durchzogene Bilanz: «Wir konnten den Status quo aufrecht erhalten.» Die während dreier Jahre aufgebauten Angebote wie das Quartierlokal, die Frühförderung, die Elternbildung, das Frauenturnen und der Spatzentreff werden erfolgreich weitergeführt. Letzterer entwickelte sich gar zu einem Selbstläufer: Frauen aus dem Quartier leiten den Treff für Mütter und Kinder selbst.
Und doch wünscht sich Mirjam Dolci, dass die Bevölkerung noch mehr Eigeninitiative zeigt. «Wir müssen mehrmals auf Angebote im Quartier hinweisen. Sonst würden viele Leute gar nicht daran teilnehmen.» Das koste die Projektgruppe viel Energie.
Nach Abschluss des Projekts waren sich Schule und Gemeinde Rorschacherberg einig: Die Integrationsarbeit im Quartier Wiesental mit einem Ausländeranteil von 70 Prozent soll weitergeführt werden. Finanziert wird sie mit dem Preisgeld des Kantons, von Schule und Gemeinde. Allerdings musste der Gürtel enger geschnallt werden. Die offizielle Kommunikations- und Koordinationsstelle wurde abgeschafft. Dafür sind sogenannte Schlüsselpersonen aus dem Quartier eingesetzt worden, die Angebote und Aktionen durchführen und Übersetzungsarbeit leisten.
«Im Moment haben wir etwas Pech», erzählt Mirjam Dolci. Drei dieser Schlüsselpersonen hätten ihre Tätigkeit aufgegeben. Gesundheitliche Probleme, Umzug und berufliche Veränderungen sind die Gründe. «Wichtige Puzzleteile in der Quartierarbeit fallen weg», sagt Dolci. Jetzt müsse die Arbeitsgruppe unter Leitung von Schulrat Marcel Stieger Ersatz für diese Schlüsselpersonen suchen. Etwa für die Leitung des Cafés International im Quartierlokal, wo sich jeden Freitagabend Erwachsene treffen. Ziel sei es, die Leitung nicht mehr nur einer Person anzuvertrauen, sondern die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen.
Positiveres berichtet Mirjam Dolci vom mittlerweile 45köpfigen Quartierverein. «Ein spannendes Jahr liegt hinter uns.» Das zweite Wiesentalfest im Sommer sei ein Erfolg gewesen. Im Herbst habe erstmals ein Flohmarkt stattgefunden. Im Winter standen Guezli backen, basteln und Geschichten erzählen auf dem Programm. Erstmals gab es im Quartier einen Christbaum, den alle schmücken durften.
Mirjam Dolci stellt fest, dass das Quartier in den vergangenen Jahren regelrecht aufgeblüht ist. Man kenne sich gegenseitig, und der Zusammenhalt sei besser geworden. Dass die Quartierarbeit Früchte trägt, bemerkt die Initiantin auch in ihrem Kindergarten. Die Stimmung unter den Eltern sei gut, und viele Kinder würden sich bereits von der Frühförderung oder vom Spatzentreff her kennen. «Die Angst vor neuem hat abgenommen, der Einstieg fällt leichter», sagt Mirjam Dolci. «So kann ich heute mit den Kindern viel früher an ihren Sprachkenntnissen arbeiten als noch vor einigen Jahren.»
Das Quartier sei ruhiger und friedlicher geworden, berichtet Mirjam Dolci weiter. Littering und Lärmbelästigung seien längst kein so grosses Problem mehr wie vor der Integrationsarbeit. Massnahmen wie Tempo-30-Zone und markierte Parkfelder zeigten ihre Wirkung. Dadurch, dass in den drei Jahren einige Wohnblocks saniert wurden, hat sich aber auch die Bevölkerung im Quartier verändert. Familien zogen aus, jüngere Paare zogen ein. Eine Entwicklung, die Mirjam Dolci nachdenklich stimmt. «Gerade für den Kindergarten ist es schade. Hoffentlich bleiben die Neuzugezogenen im Quartier und gründen hier ihre Familien», sagt sie.