STADTPRÄSIDIUM: Giella-Wahl in Gossau: So kam es zur unheiligen Allianz gegen die Gossauer CVP

Wolfgang Giella konnte mit seiner Art und seinen Ideen eine Mehrheit der Stimmbürger für sich gewinnen. Im Hintergrund des Wahlkampfs jedoch zogen Gossauer Politiker erfolgreich die Fäden.

Sebastian Schneider
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Tragende Rolle: SVP-Vizepräsident Markus Rosenberger. (Bild: Mareycke Frehner)

Tragende Rolle: SVP-Vizepräsident Markus Rosenberger. (Bild: Mareycke Frehner)

Über 1000 Stimmen trennten am Schluss die beiden Kandidaten fürs Gossauer Stadtpräsidium. Wolfgang Giella aus Chur setzte sich im zweiten Wahlgang gegen den Urgossauer Daniel Lehmann durch. Die Meldung machte vergangenen Sonntag weit über die Region hinaus auf allen Kanälen die Runde. Allerdings stand Gossau bereits vergangenen Sommer ausserhalb der Ostschweiz in den Schlagzeilen. Denn mit der Suche der Findungsgruppe nach einem Kandidaten, der neben Daniel Lehmann antreten soll, wurde die anstehende Wahl hinaus in die Deutschschweiz getragen. Der «Tages Anzeiger» schrieb Ende September: «Attraktives Städtchen sucht offenherzigen Präsidenten». Dass sich SVP, FDP, Flig und SP überhaupt zu einer Findungsgruppe fanden, mussten viele Voraussetzungen erfüllt sein. Ein Mann spielte in dieser Geschichte die tragende Rolle.

Beim zweiten Anlauf stiegen FDPler ein

Markus Rosenberger war noch Präsident der SVP, als er nach der Bekanntgabe des Rücktritts von Alex Brühwiler Vertreter aller fünf Gossauer Parteien zusammentrommelte. Sein Plan war von Anfang an, dass für die Vakanz im Stadtrat alle Parteien selber nach Kandidaten suchten; fürs Stadtpräsidium brauchte es aus seiner Sicht aber die Anstrengung aller Parteien. Die SP und die Flig waren damit sofort einverstanden. Die CVP-Spitze sowie der damalige FDP-Präsident Sandro Contratto hingegen winkten ab. Rosenberger sah seinen Versuch gescheitert: «Eine Findungskommission ergab für mich nur Sinn, wenn mindestens vier Parteien zusammenstehen», sagt Markus Rosenberger rückblickend.

Tragende Rolle: SVP-Vizepräsident Markus Rosenberger. (Bild: Mareycke Frehner)

Tragende Rolle: SVP-Vizepräsident Markus Rosenberger. (Bild: Mareycke Frehner)


Die Parteien haben darauf für die Kandidatensuche nicht mehr viel unternommen. Kam hinzu, dass sie sich auf die eigenen Stadtratskandidaten konzentrieren mussten. Anfang Juli liess die CVP Gossau-Arnegg die Katze aus dem Sack und präsentiere den Unternehmer Daniel Lehmann als ihren Stadtpräsidentkandidaten. Die Reaktionen auf den CVP-Coup müssen unterschiedlich ausgefallen sein. Jedenfalls wurden viele Parteivertreter von Bürgern gebeten, sie mögen doch weitere Kandidaten stellen. Dies war der Beginn der «Unheiligen Allianz gegen die CVP». Zum einen gab es Vereinzelte, die Ressentiments gegen Daniel Lehmann hegten, zum anderen wollten viele nicht hinnehmen, dass es keine Auswahl gibt.

Schlüsselfigur: Unternehmer und Geldgeber Rolf Grass. (Bild: Urs Bucher)

Schlüsselfigur: Unternehmer und Geldgeber Rolf Grass. (Bild: Urs Bucher)


Ausschlaggebend war schliesslich, dass Unternehmer Rolf Grass auf Markus Rosenberger zuging und ihn fragte, weshalb es keine weiteren Kandidaten gebe. Mit der Zusicherung, im Falle einer Auswahl Geld zur Verfügung gestellt zu bekommen, ging Rosenberger ein zweites Mal auf die Parteien zu. Bei der FDP fragte er diesmal die Vorstandsmitglieder Andrin Fröhlich und Brigitta Mettler. Die beiden hatten damals von den Absichten Rosenbergers noch nichts gewusst. Doch auch sie wollten eine Auswahl. Sie agierten fortan als Einzelmasken. Auch rückblickend betrachtet, sieht Fröhlich in diesem Vorgehen kein Problem: «Ich bin ein freier Bürger, und ich habe nicht gegen einen Entschluss der Partei gehandelt.» Ganz geräuschlos blieb es in der FDP indes nicht. Die Wogen konnten laut Fröhlich an einer Zusammenkunft des Parteivorstands aber geglättet werden.

Zünglein an der Waage: FDP-Parteipräsident Andrin Fröhlich. (Bild: PD)

Zünglein an der Waage: FDP-Parteipräsident Andrin Fröhlich. (Bild: PD)


Das Engagement von Brigitta Mettler und Andrin Fröhlich in der Findungskommission war für die Wahl von Wolfgang Giella entscheidend. Zumal es den beiden Politikern später gelang, eine Mehrheit für Wolfgang Giella in der FDP zu bilden.

Parteivertreter im Dienst der Sache

Die acht Parteivertreter in der Findungsgruppe hatten das Glück, dass sich mit Giella jemand bewarb, auf den sie sich einstimmig einigen konnten. Die Begeisterung muss sogar einzelne SVP-Mitglieder angesteckt haben; die Partei beschloss später Stimmfreigabe. Zuvor standen vier Anwärter bei der Findungsgruppe in der engeren Auswahl: Zwei Gossauer, zwei Auswärtige. Davon standen zwei rechts von der CVP, zwei waren mitte-links. Mehr verrät Rosenberger, der die Vorstellungsgespräche moderierte, auch im Nachhinein nicht.

Der SVP-Vizepräsident hat während der ganzen Zeit geschickt die Fäden gezogen. Er war der Mittelsmann zwischen Geldgebern, Parteien und Kandidaten, wobei die Geldgeber um Rolf Grass laut Rosenberger kein einziges Dossier gesichtet hatten. Die anderen Parteivertreter bewiesen Sachlichkeit: Sie stellten sich in den Dienst der Findungsgruppe, das Parteibüchlein liessen sie zu Hause.

Natürlich fiel es leichter, die SP mit einem ehemaligen SP-Mitglied zu begeistern. Parteipräsident Ruedi Blumer sagt aber, Giella habe keine Nähe zu seiner Partei. «Er ist absolut unabhängig.» Hätte es jemanden von der rechten Seiten gegeben, der diese Unbefangenheit genauso hätte vorweisen können, hätte er diesen Kandidaten gleichermassen unterstützt, ist sich Blumer sicher. Trotz Giellas ehemaliger Parteifarbe habe es in der SP Widerstände gegeben. Auch wegen des Parteiaustritts hätte etwa ein Viertel der Mitglieder nicht für eine Wahlempfehlung Giellas gestimmt. Deutlicher war die Zustimmung bei der Flig. Erwin Sutter, Flig-Vertreter in der Findungsgruppe, spricht nur von einer «Fast-Einstimmigkeit». An der geheimen Abstimmung habe es nur eine Enthaltung gegeben. «Giella vermochte beim ersten Podium zu überzeugen», sagt Sutter. Die Flig-Stimmen seien alle für Giella gewesen und nicht Stimmen gegen Lehmann.

Zeitung erwies sich als beste Werbefläche

Die gute Zusammenarbeit in der Findungsgruppe wurde von verschiedenen Seiten belohnt. Auch kam ein stolzer, laut Rosenberger fünfstelliger Betrag für den Wahlkampf zusammen. Unterstützung erhielt die Findungsgruppe auch von unerwarteter Seite: «Ein Teil unserer Spenden floss ausserhalb von Gossau in die gemeinsame Kasse», verrät Rosenberger. Unter den Spendern seien auch Leute gewesen, die es sympathisch fanden, dass Parteien von links bis rechts gemeinsam einen Kandidaten suchten. Bemerkenswert ist auch, dass das Zeitungsinserat in der «NZZ» zum Wahlerfolg entscheidend beitrug. «Dabei haben wir uns lange überlegt, ob wir uns überhaupt ein solch teures Inserat leisten sollen», sagt Rosenberger.

Die Arbeit in der Findungsgruppe zahlte sich aus. Wolfgang Giella gewann die Wahl. (Bild: Hanspeter Schiess)

Die Arbeit in der Findungsgruppe zahlte sich aus. Wolfgang Giella gewann die Wahl. (Bild: Hanspeter Schiess)