STADT ST.GALLEN: St.Galler zügeln von der Altstadt in die Aussenquartiere

14-mal pro Tag zügelt ein Stadtbewohner von einem Quartier in ein anderes. Das zeigen die neusten Bevölkerungszahlen des Kantons. Die Zügelrichtung innerhalb der Stadt ist eindeutig: Vom Zentrum geht’s nach Osten oder Westen.

Roger Berhalter
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Ab 30 Jahren zieht der Durchschnitts-St.Galler raus aus dem Zentrum - etwa ins Neudorf-Quartier. (Bild: Ralph Ribi (Ralph Ribi))

Ab 30 Jahren zieht der Durchschnitts-St.Galler raus aus dem Zentrum - etwa ins Neudorf-Quartier. (Bild: Ralph Ribi (Ralph Ribi))

Roger Berhalter

roger.berhalter@tagblatt.ch

Die Biografie eines durchschnittlichen St.Galler Bewohners sieht so aus: In jungen Jahren zügelt er in die Stadt, möglichst ins Zen­trum, weil da viel los ist. Er wechselt zwei-, dreimal die Wohnung, lernt die Liebe seines Lebens kennen, zieht mit ihr als 30-Jähriger ins Neudorf und gründet dort eine Familie. Im Alter kehrt er ins Stadtzentrum zurück und verbringt den Lebensabend in der Altersresidenz Singenberg.

Das Beispiel ist fiktiv, aber wahrscheinlich. Jedenfalls könnte man so die aktuelle innerstädtische Bevölkerungsentwicklung zusammenfassen. Die kantonale Fachstelle für Statistik hat kürzlich ihre neusten Zahlen veröffentlicht. Sie zeigen einerseits, dass die St.Galler Bevölkerung in den letzten Jahren leicht geschrumpft ist. Anderseits verraten die Zahlen, welches Quartier wie stark zugelegt oder verloren hat und wie die Städter zwischen den Quartieren hin und herwechseln.

Die Wanderungsbilanz in Prozent. (Bild: Quelle: Kanton St.Gallen/Grafik:elf)

Die Wanderungsbilanz in Prozent. (Bild: Quelle: Kanton St.Gallen/Grafik:elf)

Raus aus dem Zentrum ab 30 Jahren

5185-mal wurde im Jahr 2016 innerhalb des Stadtgebiets gezügelt. Eine eindrückliche Zahl, die noch eindrücklicher wird, wenn man sie umrechnet: 14-mal pro Tag zügelte ein Stadtbewohner von einem Quartier in ein anderes. Vereinfacht gesagt, ziehen aus dem Kreis Centrum besonders viele Bewohner weg in ein anderes Quartier, besonders die Altersgruppe der 30- bis 44-Jährigen. Dafür verzeichnen die Kreise West (beispielsweise Bruggen) und Ost (beispielsweise Neudorf) besonders viele Neuzuzüger in dieser Altersklasse. Hier taucht der eingangs erwähnte Durchschnitts-St.Galler wieder auf, der mit 30 vom Zentrum in den Westen oder Osten zieht.

Winkeln und Bruggen sind innerstädtisch beliebt

Betrachtet man die so genannte prozentuale Wanderungsbilanz, wird ersichtlich, wie stark welches Quartier gewachsen ist, gemessen am Stand von 2008. So lassen sich auch bevölkerungsreiche mit kleinen Quartieren vergleichen (siehe Grafik). Wenig überraschend haben die östlichen und westlichen Quartiere stärker zugelegt als die zentralen. Dies, weil das Zentrum schon jetzt stark verdichtet und am Stadtrand mehr Platz für neue Überbauungen vorhanden ist. Überdurchschnittlich gewachsen sind im Westen die Gebiete Winkeln Nord und Süd sowie Bruggen entlang der Zürcher Strasse. Im Kreis Ost haben vor allem Rotmonten und Achslen-Wilen zugelegt. Ein Spezialfall ist das statistische Gebiet Hölzli-Joosrüti mit der dortigen internationalen Schule, welche die lokale Bevölkerungsentwicklung stark beeinflusst (siehe Zweittext).

In der Altstadt erneuert sich die Bevölkerung besonders schnell. In keinem anderen Stadtteil gibt es gleichzeitig so viele Zu- und Wegzüge. Der Zuzug in die Altstadt sei "somit in den meisten Fällen nicht mit einer langfristigen Niederlassung im Quartier verbunden", heisst es nüchtern im Bericht des Kantons. Anders gesagt: Mit 30 Jahren zieht der Durchschnitts-St. Galler aus der Altstadt aus.

Schüler und Rentner als Ausreisser

Immer im September schiesst die St. Galler Stadtbevölkerung nach oben. Immer dann nämlich, wenn an der Universität und an der Fachhochschule das neue Semester beginnt. Dies zeigt die aktuelle Bevölkerungsstatistik des Kantons. Auch auf das Institut am Rosenberg lassen sich mehrere Ausreisser in der Statistik zurückführen. Das Internat ist der Grund, warum das Gebiet Hölzli-Joosrüti überdurchschnittlich viele Unter-18-Jährige anzieht, und warum sich dort besonders viele Ausländer niederlassen. Auch die Pensionäre in der Stadt zeigen statistische Auffälligkeiten. Die Über-65-Jährigen zügeln verhältnismässig selten, dafür ziehen viele von ihnen in das Gebiet Linsebühl-Dreilinden – dorthin, wo sich vier Alters- und Pflegezentren sowie Seniorenresidenzen befinden. (rbe)