In einem neuen Schweizer Städtevergleich schneidet St. Gallen punkto Wohnsituation gut ab. Nirgendwo anders ist es so einfach, eine Wohnung zu finden. Der Anteil freier Wohnungen ist in der Stadt sogar höher als im Grünen Ring.
Roger Berhalter
Die Stadt St. Gallen ist lebenswert, egal ob man Mieter oder Eigentümer ist. So könnte man den neuen nationalen Städtevergleich des Bundesamtes für Statistik zusammenfassen. Die Statistiker haben die Wohnbedingungen in acht Schweizer Städten untersucht. Das Besondere daran: Die Städte wurden nicht nur für sich betrachtet, sondern auch mit ihren umliegenden Gemeinden verglichen. Der Städtevergleich gibt also auch Auskunft darüber, wie St. Gallen im Vergleich zum Grünen Ring abschneidet. Ebenso ist ersichtlich, wie es im Vergleich zum Durchschnitt aller Schweizer Agglomerationen aussieht.
Gleich in mehreren untersuchten Faktoren erreicht St. Gallen die vordersten Ränge. Am augenfälligsten ist dies bei der Leerwohnungsziffer, dem Anteil der leerstehenden Wohnungen am Total aller Wohnungen. Von 100 Wohnungen stehen in St. Gallen fast zwei leer, das ist sehr viel für eine Schweizer Stadt.
Im Durchschnitt stehen in den untersuchten Städten nur 0,8 Prozent aller Wohnungen leer. Besonders wenige freie Wohnungen gibt es in den Städten Zürich, Lausanne, Basel, Bern und Genf mit weniger als 0,5 Prozent. Entsprechend schwierig gestaltet sich dort die Wohnungssuche, und entsprechend hoch sind die Mietzinsen. Anders in St. Gallen mit seiner hohen Leerwohnungsziffer. Diese «erleichtert die Wohnungssuche und wirkt sich tendenziell dämpfend auf die Wohnungspreise aus», schreibt das Bundesamt für Statistik in der Studie.
Geht es nach dem Bundesamt, sind viele leere Wohnungen in einer Stadt eher positiv zu bewerten, denn sie würden die Lebensqualität erhöhen: Man müsse weniger Zeit in die Wohnungssuche investieren und habe dafür mehr Frei- und Familienzeit zur Verfügung. «Ein knappes Angebot kann dazu führen, dass teurere Wohnungen gewählt werden müssen oder in andere Orte ausgewichen wird, wodurch sich unter Umständen der tägliche Arbeitsweg verlängert», heisst es in der Studie weiter. Auch der Stadtpräsident sieht die hohe Leerwohnungsziffer mit Blick auf die Mieten positiv: «Ein gewisser Leerwohnungsbestand ist wichtig, damit die Mieten tief bleiben», sagt Thomas Scheitlin (Ausgabe vom 10. Januar).
Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass es in St. Gallen im Verhältnis zum Gesamtangebot sogar mehr freie Wohnungen als im Grünen Ring gibt. Die Leerwohnungsziffer im Agglomerationsgürtel liegt deutlich tiefer als in der Stadt. Dies ist bei fast allen anderen Schweizer Städten umgekehrt: In der Stadt ist der Platz zum Wohnen knapper als auf dem Land.
Platz ist in St. Gallen offensichtlich genug vorhanden, auch wenn man die Fläche betrachtet, die jeder Einwohnerin und jedem Einwohner zur Verfügung steht. Fast 45 Quadratmeter beträgt in St. Gallen die durchschnittliche Wohnfläche pro Person. Im Grünen Ring sind es sogar fast 50 Quadratmeter. Entsprechend niedrig ist in der Stadt auch die Bevölkerungsdichte mit 1918 Einwohnern pro Quadratkilometern. Zum Vergleich: In Genf leben auf einem Quadratkilometer über 12000 Menschen. In St. Gallen gibt es auch nur 5 Prozent überbelegte Wohnungen, also solche mit mehr als einer Person pro Zimmer. In Genf hingegen ist dies bei fast jeder fünften Wohnung der Fall.
Beim Wohneigentum schneidet St. Gallen ebenfalls gut ab. Es gibt in der Stadt relativ viele Einfamilienhäuser, und der Anteil der Eigentümer von Wohnungen und Einfamilienhäusern ist relativ hoch. In den acht untersuchten Städten sind im Schnitt 14 Prozent aller Haushalte Eigentümerhaushalte. In St. Gallen sind es mit 18 Prozent deutlich mehr.