Regierung und Rat spielen Spitalball dem Volk zu

ST. GALLEN. Es ist wie ein Treffen alter Bekannter, die sich zwar sehr gut kennen, das Heu aber nicht auf derselben Bühne haben.

Regula Weik
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Herbert Huser

Herbert Huser

Hier Herbert Huser, SVP-Präsident, Rheintaler mit Herzblut – er wohnt hundert Meter vom Spital Altstätten entfernt – und Hauptverfechter einer «innovativen und mutigen St.Galler Spitalpolitik». Huser und seine Partei fordern einen Spitalneubau für das Rheintal; die Spitäler in Altstätten und Grabs sollen in Tageskliniken umgewandelt werden, und sie sollen zwingend – dieser Zusatz ist neu – eine Notfallstation mit 24-Stunden-Betrieb haben.

Dort Gesundheitschefin Heidi Hanselmann und Bauchef Willi Haag. Die beiden werden nicht müde, immer wieder die Vorteile ihrer Gesamtstrategie zu betonen – eine Strategie für alle vier Spitalregionen im Kanton. Ein abgestimmtes Räderwerk, das nicht mehr rund läuft, wenn ein Rädchen herausgebrochen wird.

«In Schockstarre»

Exakt dieses Ziel verfolgt die SVP: Sie fordert einen Spitalneubau in der Region Rheintal-Werdenberg – und sie weist die beiden Vorlagen Altstätten und Grabs an die Regierung zurück.

Ihre Weggefährten sind nicht mehr so zahlreich wie noch im Spätsommer. Damals hatten die Fraktionen von CVP-EVP, FDP und SVP in einer gemeinsamen Stellungnahme die Spitalpolitik der Regierung kritisiert: Sie halte «zu starr an den althergebrachten Strukturen fest»; gleichzeitig lobten sie die Studie der Industrie- und Handelskammer (IHK) als «Mut zu einer zukunftsweisenden Lösung»; sie forderte ebenfalls Spitalneubauten.

In der Parlamentsdebatte findet die SVP Mitstreiter bei den Freisinnigen – die Fraktion ist nicht geschlossen – und den Grünliberalen. Damit hat es sich. Und das genügt nicht. Die Rückweisung der Vorlage Altstätten scheitert mit 45 Ja zu 67 Nein, jene der Vorlage Grabs mit 35 Ja zu 71 Nein.

Die Regierung verharre seit der Abwahl von Gesundheitschef Anton Grüninger in einer «Schockstarre», sagt Huser. Keine Spitalschliessungen – das sei ihr einziger Orientierungspunkt. Sie schreibe zäsurlos die bisherige Politik weiter und zementiere den bisherigen Zustand. «Es reicht», so Huser, «dass Teile der Regierung und der Verwaltung eine Hypothek für den Kanton sind. Ich bin froh, dass ich nicht Teil dieser Hypothek bin.»

Gegen ein Mini-Kantonsspital

Sein Vorschlag eines Schwerpunktspitals für das Rheintal wird zerzaust. Von «unausgereiftem Vorschlag» und «überrissener Idee» ist die Rede. «Nicht die Grösse eines Spitals ist entscheidend, sondern sein Portfolio», heisst es etwa. Oder: «Grösse allein muss nicht zwangsläufig und immer besser und effizienter sein.» Oder: «Das Original schlägt die Kopie.» Ein kleines Kantonsspital im Rheintal sei unnötig, wenn die Rheintaler die Leistungen eines Zentrumspitals benötigten, würden sie gleich nach St. Gallen fahren.

Die Variante der SVP lasse zu viele Fragen offen – Kosten, Standort, Erschliessung. Die Partei hat darauf Antworten: 180 Millionen koste ein Neubau, schätzt Huser. 222 Millionen investiert die Regierung in die Spitäler Altstätten und Grabs. Der Ausbau in Altstätten starte 2016 und dauere bis 2021; die Bauzeit in Grabs betrage sechseinhalb Jahre. Ein Neubau, so Huser, habe «zugegebenermassen eine längere Entwicklungs- und Vorbereitungszeit»; er geht von fünf bis sechs Jahren aus. Die Bauzeit sei aber wesentlich kürzer; Huser rechnet mit drei Jahren. «Somit würde die Fertigstellung unwesentlich später erfolgen.» Und falls sein favorisierter Standort in Rüthi – «die jetzige Besitzerin Axpo wäre sicher bereit, über einen Verkauf zu verhandeln» – nicht klappen sollte, so fänden sich im Rheintal und Werdenberg «problemlos genügend andere geeignete Standorte».

Die Gegner eines Neubaus vermag die SVP damit nicht zu überzeugen.

Stammtisch-Spezialisten

Patientenströme, vertikale Kooperationen, Leistungskonzentrationen, Fallpauschalen, Zentrumsleistungen – die Debatte erweckt den Eindruck: Hier diskutieren Spital- und Gesundheitsspezialisten. Wer es nicht ist, zitiert Äusserungen des Stammtisches, Einschätzungen ungenannter Ärzte, Meinungen aus Leserbriefen. Da mischt sich eine pragmatische Stimme in die Diskussion: Notwendig seien mehrheitsfähige Vorlagen, um beim Volk bestehen zu können – ein Scheitern an der Urne bedeutete für die St. Galler Spitäler einen weiteren Stillstand. «Die Ampel stehen auf Grün. Warten wir nicht zu», mahnt eine andere Stimme.

400 Millionen Kantonsspital St. Gallen, 85 Millionen Spital Altstätten, 137 Millionen Spital Grabs, 98 Millionen Spital Linth, 85 Millionen Spital Wattwil, 125 Millionen Darlehen Ostschweizer Kinderspital: Ob die Bevölkerung bei diesen Zahlen rot sieht, zeigt sich im November.

Heidi Hanselmann

Heidi Hanselmann

Willi Haag (Bilder: Regina Kühne)

Willi Haag (Bilder: Regina Kühne)