Pirat ohne Säbel, Ritter ohne Schwert

Ich gebe es zu: Mein Sohn ging vor einem Jahr bewaffnet an die Fasnacht. Er war ein Pirat. Und zwar einer mit Augenklappe, Schnauz und Säbel. Auf seinem Oberarm sass ein Papagei. Auch das war kein echter.

Christina Weder
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bambino vestito da pirata (Bild: (36159603))

bambino vestito da pirata (Bild: (36159603))

Ich gebe es zu: Mein Sohn ging vor einem Jahr bewaffnet an die Fasnacht. Er war ein Pirat. Und zwar einer mit Augenklappe, Schnauz und Säbel. Auf seinem Oberarm sass ein Papagei. Auch das war kein echter.

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Über den Säbel, den der damals Vierjährige auf sich trug, hatte ich mir nicht den Kopf zerbrochen. Und er hat mir keine schlaflosen Nächte bereitet. Aber jetzt muss ich mir Gedanken machen. Denn so kurz vor der Fasnacht steht die Frage wieder im Raum: Dürfen Kinder eigentlich mit Spielzeugwaffen an die Fasnacht gehen?

Daran scheiden sich die Geister. Manche Zürcher Kindergärten haben, so liest man dieser Tage, einen Dresscode für die Fasnacht erlassen: Dort dürfen sich Kindergärtler noch als Prinzessin, Blume, Tier oder Früchtchen ins närrische Treiben stürzen. Piraten mit Plastiksäbeln sind nicht zugelassen.

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In St. Gallen sei dies anders, sagte Schulamtsleiter Christian Crottogini vergangene Woche in dieser Zeitung. Er sprach klare Worte: «Zum Indianer gehört nun mal ein Tomahawk und zum Cowboy eine Pistole.» Kinder dürfen als Pirat, Ritter, Indianer, Jäger und Polizist an die Fasnacht – «solange es nicht überbordet».

Kaum sind diese Worte Schwarz auf Weiss gedruckt, bringt mein Sohn einen Zettel aus dem Kindergarten nach Hause. Es geht um die Fasnacht. Die Kinder dürfen ab Donnerstag verkleidet in den Kindergarten kommen, heisst es darauf. Aber bitte: «Keinerlei Waffen und keine Konfetti.»

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Alles hat seine Grenzen. Wenn Miniaturkämpfer mit Plastikfeuerwaffen durch die Gegend spazieren, löst das ein Schaudern aus. Doch davon kann keine Rede sein, wenn ich an die letztjährige Fasnacht denke. Klar, mein kleiner Pirat schaute mit grossen Augen den grossen Buben zu, die Knaller abfeuerten. Er und seine Kollegen lieferten sich Konfettischlachten, aber kaum Duelle mit dem Säbel. Dieser war vielmehr ein Attribut, das den Piraten überhaupt zum Piraten machte.

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An der diesjährigen Kindergarten-Fasnacht muss der Säbel aber zu Hause bleiben. Der Indianer kommt ohne Pfeil und Bogen. Dem Ritter fehlt das Schwert, der Cowboy gibt seine Käpselipistole ab, und der Polizist entwaffnet sich. Zum Glück hat sich mein Sohn diese Fasnacht fürs richtige Kostüm entschieden. Er will nicht mehr Pirat sein. Lieber Zauberer. Und dessen Hilfsmittel gilt bekanntlich nicht als Waffe. Den Zauberstab darf er behalten.