Paganini auf dem Akkordeon

Als Akkordeonist ist Goran Kovacevic ständig auf Achse. Diesen Sommer verbrachte der Engelburger ausnahmsweise nur an einem Ort. In Rom übte der Musiker drei Monate ohne Zwang und ohne Ziel und liess die Ideen sprudeln.

Roger Berhalter
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«Von der Balkanmusik komme ich so schnell nicht los»: Goran Kovacevic in seinem Musikzimmer. (Bild: Ralph Ribi)

«Von der Balkanmusik komme ich so schnell nicht los»: Goran Kovacevic in seinem Musikzimmer. (Bild: Ralph Ribi)

ENGELBURG. Nein, die typische Woche im Leben von Goran Kovacevic gibt es nicht. «Keine ist wie die andere», sagt der Akkordeonist und gibt ein Beispiel aus seinem Musikeralltag: Gut möglich, dass er am Morgen noch am Konservatorium in Feldkirch unterrichtet, am Abend ein Solokonzert in Basel gibt und am nächsten Tag nach Tschechien fliegt für zwei Auftritte mit Sinfonieorchester. Der 42-Jährige ist oft auf Achse, gibt pro Jahr über 100 Konzerte. Daneben unterrichtet er Akkordeon in Feldkirch und an der Kantonsschule in Trogen. Und manchmal ist er auch zu Hause; Kovacevic lebt mit seiner Frau und den drei Kindern in Engelburg.

Vom Tango bis zum Jazz

Kovacevic ist sich das Reisen gewohnt, er hat es auch nie anders gewollt. Er tanzt bewusst auf vielen Hochzeiten und hat sich als Akkordeonist in verschiedenen Szenen etabliert. Er spielt sowohl rasende Balkan-Partymusik, als auch getragene Klassik. Er lädt mit Tango Nuevo zum Tanz, spielt zu Appenzeller Hackbrett oder improvisiert in einer Jazzband. Nicht weniger als 15 musikalische Projekte verfolgte Goran Kovacevic bis vor kurzem gleichzeitig. «Das hat sich so entwickelt. Ich wollte immer von der Musik leben und viel live spielen, deshalb habe ich mich nie auf einen Bereich beschränkt.»

Dreimonatige Auszeit

Irgendwann tanzte er aber dann wohl auf zu vielen Hochzeiten. «Ich kam an meine Grenzen und hatte plötzlich genug vom Reisen», sagt Kovacevic. Er brauchte eine Auszeit und bewarb sich beim Kanton um einen Aufenthalt in der Atelierwohnung in Rom. Mit Erfolg: Drei Monate, von August bis Oktober, hat Kovacevic in Rom verbracht. «So lange an einem Ort zu sein, war für mich sehr aussergewöhnlich.» Nur für zwei längst fixierte Konzerte verliess er die Stadt. Einmal ging's nach Trogen, einmal für ein Solokonzert nach Hamburg. In Rom selber hingegen bemühte sich Kovacevic nicht um Auftritte – und für Strassenmusik war es sowieso viel zu heiss.

Kovacevic nutzte die Zeit in Rom auf seine Weise. «Zuerst habe ich eine Weile gar nichts gemacht», sagt er und lacht. Doch der umtriebige Musiker ruhte nicht lange. Er begann die grossen italienischen Opernkomponisten zu studieren: Vivaldi, Rossini, Verdi. Bald war der Esszimmertisch in der Wohnung mit Notenblättern bedeckt. «Ich habe intensiv geübt, ohne Ziel, ohne Termine, in meinem eigenen Rhythmus.» Für ihn als Profimusiker war das ungewohnt. «Im Alltag arbeite ich meist für ein konkretes Projekt oder übe auf ein fixes Datum hin.»

Noten übersetzen

Wochenlang knöpfte sich Kovacevic die italienischen Meister vor. Er übersetzte ihre Noten (die geschrieben wurden, lange bevor es das Akkordeon gab) auf sein Instrument, und das Üben wurde bald konkreter. «Plötzlich kamen mir Ideen, mit wem ich die Stücke spielen könnte.»

So kam es, wie es vielleicht kommen musste: Goran Kovacevic kehrte mit drei neuen Projekten in die Schweiz zurück. «Arrivederci Roma» heisst sein neues Soloprogramm, in dem er zum Beispiel Geigenstücke von Paganini oder Auszüge der Oper «La Traviata» von Verdi auf dem Akkordeon spielt. Ausserdem spannt er für «Die acht Jahreszeiten» mit dem Vorarlberger Streicherensemble Quinteto del Arco Nuevo zusammen.

Ohne Balkan geht's nicht

Auch die Balkanmusik hat Kovacevic in Rom wiederentdeckt. «Von ihr komme ich so schnell nicht los», sagt er in Anspielung auf seine Bands Dusa Orchestra und Romobil, die sich unlängst aufgelöst haben. In Rom hat Kovacevic nun eine Zusammenarbeit mit dem Baro Drom Orkestar aus Florenz aufgegleist. Mit ihnen wird er im Januar auf eine kleine Schweizer Tour gehen, und von ihnen lernte er auch, dass Schweizer Musiker übers Reisen nicht klagen können: «Italienische Musiker legen viel grössere Distanzen zurück.»

www.goran-kovacevic.com