Das Erdgeschoss des Waaghauses gilt als düster und muffig. Dabei fehlt es seit Jahren nicht an Ideen, was daraus werden könnte. Von der Beiz über den ständigen Markt bis zum Luxus-Veloständer.
Christina Weder
Das Waaghaus gilt als Wahrzeichen der St. Galler Altstadt. Es ist ein Schmuckstück. Allerdings nur von aussen. Im Innern sieht es anders aus. Vor allem das Erdgeschoss wurde schon als «Unort» und «Schandfleck» der Stadt bezeichnet. Es wirkt düster und muffig. In den Ritzen zwischen den Pflastersteinen stecken Konfetti von der vergangenen Fasnacht. Meist halten sich mehr Tauben als Passanten unter den Waaghausbögen auf.
Die Diskussion, wie man das Erdgeschoss des historischen Gebäudes aufwerten und anders nutzen könnte, dauert seit Jahren an. Mal wird sie mehr, mal weniger intensiv geführt. Nun, da die Stadt den dritten Anlauf zur Neugestaltung von Marktplatz, Bohl und Blumenmarkt unternimmt, wird die Debatte darüber neu aufgerollt.
Wie Stadtplaner Florian Kessler sagt, zeichnet sich «momentan noch keine Stossrichtung für eine künftige Nutzung des Erdgeschosses im Waaghaus ab». Am ersten Forum Marktplatz von Ende Januar habe es einige Wortmeldungen zum Thema gegeben. Einzelne Teilnehmer brachten Ideen ein, im Waaghaus ein Restaurant zu eröffnen, den ständigen Markt dorthin zu verlegen oder den Raum weiterhin als flexiblen, öffentlich zugänglichen Veranstaltungsort zu nutzen. Das Thema, wofür das Erdgeschoss im Waaghaus künftig verwendet werden soll, wird laut Kessler im zweiten Forum von Ende April nochmals aufgegriffen.
Heute wird das Erdgeschoss des Waaghauses für eine Reihe von Veranstaltungen genutzt. Traditionell haben dort der Weihnachtsmarkt, die Fasnachtsbeiz, die Appenzellerstube während der Olma, der VCS-Veloflohmarkt, die kurdischen Kulturtage und das Anatolien-Festival Gastrecht. Die meiste Zeit des Jahres steht das Erdgeschoss leer. Dabei gab es in den letzten Jahren mehrere Vorschläge, wie man es ganzjährig besser nutzen könnte.
Für Diskussionsstoff sorgte insbesondere die Idee, unter den Waaghausbögen eine Beiz einzurichten. Eine private Gruppe um Bankier Konrad Hummler legte 2002 eine Projektskizze dafür vor. Unter den historischen Holzbalken sollten die Gäste an langen Tischen Platz nehmen und einfache St. Galler Gerichte essen. Die Stadt äusserte Vorbehalte – einerseits aus denkmalpflegerischen, andererseits aus praktischen Gründen. Es sei schwierig, räumlichen Ersatz für die öffentlichen Veranstaltungen zu finden, hiess es. Das Vorhaben verlief im Sand.
Auch ein Veloparkplatz war im Waaghaus schon geplant. Er stand im Umfeld der Abstimmung über die erste Marktplatz-Vorlage zur Diskussion, die 2011 vom Stimmvolk bachab geschickt wurde. Heute ist es noch immer verboten, im Erdgeschoss Velos abzustellen.
Schliesslich steht weiterhin zur Debatte, den ständigen Markt ins Waaghaus zu verlegen. Bürgerliche Politiker fordern den Stadtrat in einem Postulat von 2015 auf, diese Variante zu prüfen. Im Obergeschoss schwebt ihnen ein Restaurant oder eine kulturelle Nutzung vor. Das Stadtparlament müsste ausziehen. Der Stadtrat will den Vorstoss im Rahmen der dritten Vorlage zur Neugestaltung prüfen. Ein Ende der Debatte ist noch nicht in Sicht.
Tatsächlich wurde das Erdgeschoss des Waaghauses in seiner Geschichte schon anders genutzt. Fast 300 Jahre lang – bis 1856 – wurden hier Handelsgüter gewogen und verzollt. In den 1870er-Jahren wurde das Erdgeschoss geschlossen. Eine Polizeistation und eine Poststelle zogen ein. 1958 folgte die letzte grosse Auseinandersetzung um Erhalt oder Abbruch des Waaghauses. Das Volk sprach sich knapp für die Renovation aus. Die Halle im Erdgeschoss wurde wieder geöffnet. Pflastersteine, Rundbögen und Holzbalken prägen sie bis heute.