Nachgefragt: «Der Steuerfuss ist nicht der Hauptgrund für die Abwanderung»

Drucken
St.Galler Stadtpräsident Thomas Scheitlin. (Bild: pd)

St.Galler Stadtpräsident Thomas Scheitlin. (Bild: pd)

St. Gallen gerät beim Steuerwettbewerb mit den umliegenden Gemeinden weiter ins Hintertreffen. Der Stadt fehle der Spielraum für Steuersenkungen, da sie ganz andere Voraussetzungen habe, sagt Stadtpräsident Thomas Scheitlin.

In der Region purzeln die Steuerfüsse. Sie verteidigen die Höhe des städtischen Steuerfusses aber immer wieder. Wann wollen Sie handeln, wenn nicht jetzt?
Wir beurteilen die Lage jedes Jahr beim Budgetprozess aufs Neue. Darin fliessen auch die Steuerfüsse in der Region ein. Es ist ein zweischneidiges Schwert: Wir können uns nicht isoliert betrachten, sind gleichzeitig aber auch nicht mit den umliegenden Gemeinden vergleichbar.

Viele vergleichen nur die nackten Zahlen, gerade in Stadtnähe.
Es ist klar, dass der Graben zur Region nicht allzu gross werden darf. Aber es kommt eine weitere Komponente hinzu: die anstehende Unternehmenssteuerreform. Die Stadt St. Gallen nimmt pro Jahr von juristischen Personen Steuern in der Höhe von rund 40 Millionen Franken ein. Wenn der Kanton nun die Steuern senkt, wirkt sich das direkt auf unsere Einnahmen aus. Diese Ertragsausfälle müssen wir kompensieren können. Eine Gemeinde wie Mörschwil hat also eine ganz andere Ausgangslage.

Aber je tiefer die Steuern in den umliegenden Gemeinden sind, desto attraktiver werden diese. Könnte eine Senkung des Steuerfusses nicht auch ein Mittel sein, um Personen anzuziehen – oder zumindest die Abwanderung zu stoppen?
Ob jemand hier wohnt oder nicht, hängt von diversen Faktoren ab. Der grösste Teil der Wegzügler ist 30 bis 45 Jahre alt und hat Kinder. Unsere Befragungen zeigen, dass nicht der Steuerfuss der Hauptgrund für den Wegzug ist, sondern der Kauf oder Bau eines eigenen Hauses. Letzteres ist in St. Gallen kaum mehr möglich. Der Steuerfuss der umliegenden Gemeinden ist seit jeher tiefer als jener der Stadt. Dennoch ist sie in den vergangenen zehn Jahren gewachsen.

Was ist mit einer Anpassung der Gebühren für bestimmte Dienstleistungen?
Schon heute werden diverse Dienstleistungen über das Verursacherprinzip abgegolten. Wenn man das bei weiteren möchte, muss man das öffentliche Interesse an einer solchen Lösung genau anschauen und gegenüber der Abgeltung mit Steuergeldern abwägen. Das Gebührenklima ist auch ein Standortfaktor.

Braucht es Korrekturen beim innerkantonalen Finanzausgleich zu Gunsten der Zentrumsgemeinden?
Nein, er funktioniert gut. Man könnte aber einen horizontalen Ausgleich diskutieren. Dann würden in einem Rayon um eine Stadt herum gewisse zentrale Dienstleistungen von den umliegenden Gemeinden anteilsmässig abgegolten. Nur: Welche Leistungen wären das? Und wie weit fasst man so einen Rayon? Ich halte diese Form des Ausgleichs als kaum realisierbar. (dag)