Mit Kiss die Krise umfahren

REGION AM SEE. Innovationen und Investitionen - die heimische Industrie ist der Weltwirtschaftskrise couragiert begegnet, anstatt im Jammerchor mitzusingen. Mit der Folge, dass auch der zweite Teil der Tagblatt-Umfrage einen positiven Tenor hat.

Rudolf Hirtl
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Weil die Schienenfahrzeugindustrie viel längere Zyklen hat als andere Branchen, ist die Stadler Rail Group laut Jürg Gygax, CEO der Stadler Altenrhein AG, von der Krise weitgehend verschont geblieben. Vom schwachen Euro ist Stadler hingegen sehr stark betroffen, da der heimische Schienenfahrzeug-Hersteller in der Schweiz produziert und auch einen grossen Teil der Zulieferer in der Schweiz hat. «Unsere Wertschöpfung setzt sich bisher aus 40% eigene Produktion in der Schweiz, 40% Zukauf in der Schweiz und 20% Zukauf im Euroraum zusammen. Eine Massnahme ist, dass wir den Anteil des Zukaufes im Euroraum auf 30 Prozent erhöhen. Dank unseres 2011 stark steigenden Umsatzes hoffen wir, dass das Einkaufsvolumen bei unseren Schweizer Lieferanten trotzdem stabil bleibt», sagt Gygax. «Eine Verlagerung der Produktion ins Ausland sei für einen der grössten Arbeitgeber in der Region Rorschach derzeit nicht möglich, da Stadler soeben erst 100 Millionen Franken in den Ausbau der Schweizer Werke investiert habe. Dank der grossen Aufträge, die bei Stadler Rail in den vergangenen zweieinhalb Jahren, beispielsweise von den SBB oder der österreichischen Westbahn für den Doppelstockzug Kiss (Bild) eingegangen seien, könne in Altenrhein der Personalbestand weiter erhöht werden. «Mich weiterhin voll fürs Unternehmen einsetzen, zusammen mit den Mitarbeitern die Ziele erreichen und dabei auch der Familie und Freunden Zeit schenken», nennt Gygax seinen persönlichen Vorsatz für 2011.

Stahl und Metall im Aufwind

«Geprägt durch das Krisenjahr 2009 habe ich vor einem Jahr prognostiziert, dass die nachhaltige Besserung im 2010 noch ausbleiben wird», sagt Geschäftsführer Max Rutz. Für die seit dem Umzug in Goldach ansässige Stürm AG mit ihrem Kerngeschäft Stahl, Metall und Services habe sich aber ab Februar 2010 die Geschäftslage erfreulicherweise markant verbessert. «Wir konnten die Kurzarbeit per Ende Februar aufheben. Das Jahr 2010 werden wir deutlich über Budget abschliessen.» Auch der neu eröffnete Verkaufsstandort Härkingen habe sich erfreulich entwickelt. «Dennoch», mahnt Rutz, «ist das Krisenjahr 2009 noch nicht ganz vergessen. Auch wenn Umsatz und Ertragskraft noch nicht da sind, wo sie sein sollten, freuen wir uns aber über ein deutlich besseres 2010.» Im Verlauf der zweiten Jahreshälfte seien auch bereits wieder zusätzliche Mitarbeitende eingestellt worden. Im vergangenen Jahr habe Stürm zudem den Umsatz auf rund 100 Mio. Franken (2009: 73,5 Mio.) steigern können.

Als Highlight des Vorjahres bezeichnet Rutz das 175-Jahr-Jubiläum. «Wir konnten im Juni an vier Anlässen über 2000 Gäste empfangen, die mit uns dieses seltene Jubiläum feierten. Auch am Tag der offenen Tür durften wir uns über sehr viele interessierte Besucher freuen.» Eine Prognose für die Zukunft ist laut des Stürm-Geschäftsführers nur sehr schwer zu stellen. Auf der einen Seite gebe es die konstante und gute Nachfrage der letzten Monate und Kunden mit sehr guten Auslastungen; auf der anderen Seite gebe es aber die Währungssituation, die problematischer werde, je länger sie daure. Er könne sich auch nicht vorstellen, dass die grossen Sünden, sprich Schulden, die gemacht wurden und noch gemacht werden, ohne Schmerzen erlassen werden. Welche Kräfte aus diesem Cocktail im Jahr 2011 obsiegen werden, sei kaum abschätzbar, darum gelte die Devise: Wachsam sein, Kundenwünsche möglichst gut erfüllen sowie anpassungs- und veränderungsfähig bleiben.

Euro drückt die Preise

Die ebenfalls in Goldach ansässige Holz Stürm AG darf laut Geschäftsführer Martin Schwarz auf ein positives Jahr zurückblicken. Der Umsatz konnte, trotz Preiszerfall des Euro, gesteigert und zwei Arbeitsstellen (gesamt 27) geschaffen werden. Im Holzsektor seien die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise nicht stark spürbar. «Der Holzbau, der zu unseren grössten Kunden gehört, hat mengenmässig weiter zugenommen. Auch Holz im konstruktiven Bereich ist nach wie vor steigend.» Dies zeigt sich auch mit dem Produkt Brettsperrholz. Neben Decken und Einfamilienhäusern seien bereits bis zu neunstöckige Mehrfamilienhäuser mit diesem innovativen Baustoff erstellt worden. «Der Eurozerfall hat uns allerdings auch stark getroffen», so Schwarz. «Nicht, dass wir im Exportgeschäft tätig sind, aber der Anteil ausländischer Anbieter, die in die Schweiz direkt liefern, hat uns zusätzliche Konkurrenz gebracht.» Das grosse Holzlager in Goldach habe teilweise dem Europreis angepasst werden müssen, um auf dem Markt konkurrenzfähig zu bleiben. Dieser Preisabschrieb werde sich auf den Jahresabschluss entsprechend auswirken.

Schwarz sieht auch für 2011 eine positive Entwicklung für Holz im Bau, egal, ob Umbau, Renovationen und Sanierungen oder Neubau. Die Gestaltung bei Fassaden und im Terrassenbereich werde dem Hobelwerk Produktionsaufträge bringen. Im konstruktiven Bereich werde Holz, dank der schnellen trockenen Bauweise sowie dem guten Raumklima, weiter zunehmen. «Produktevielfalt, Innovation sowie die Konkurrenz werden uns weiter fordern. Ich hoffe, dass sich der Euro stabilisiert und wir genauer kalkulieren können.»