Lehren vom Bettelkongress «Hend Si echli Münz? Nei? Danke! Gottes Säge!» Wie eine Litanei wiederholt der Mann seinen Spruch. Nur ab und zu unterbricht er den monotonen Singsang. Dann, wenn jemand tatsächlich im Portemonnaie nach «echli Münz» klaubt und es ihm in die Hand drückt.
«Hend Si echli Münz? Nei? Danke! Gottes Säge!» Wie eine Litanei wiederholt der Mann seinen Spruch. Nur ab und zu unterbricht er den monotonen Singsang. Dann, wenn jemand tatsächlich im Portemonnaie nach «echli Münz» klaubt und es ihm in die Hand drückt. Er wirkt dann manchmal so überrascht, dass er erst schlucken muss, dann aber mit einem «Vergelt's Gott!» nachdoppelt.
Der Strassenbettel ist zwar nicht jedermanns Sache. Doch was tun, wenn einem ein Mann «Gottes Segen» wünscht? Mit dem Spruch hat der Mann eine Marktnische entdeckt. Denn wer will schon auf eine solche Aufmunterung verzichten. «An Gottes Segen ist alles gelegen», wurde uns im Unterricht beigebracht. Und hier bekommt man ihn sogar für «e bitzeli Münz».
Ob ein solch religiöser Bezug das Betteln tatsächlich sympathischer macht? Wenn es nach dem kürzlich in Wien abgehaltenen Bettelkongress geht, schon. Denn dort befand der Dekan der Universitäts-Moraltheologen: «Betteln gehört zu den Grundrechten. Die kirchlichen Bettelorden signalisieren ja auch, dass Betteln nicht etwas Unschickliches ist, sondern einfach auch ein Recht.»
Bettelmönche, die sieht man in Mitteleuropa allerdings nicht mehr mit offenen Händen durch die Strasse gehen; auch die Bettelorden haben inzwischen auf Einzahlungsscheine oder E-Banking umgestellt. Umso auffallender dafür die bettelnden buddhistischen Mönche im Fernen Osten. Diese sind im Strassenbild nicht nur geduldet, sondern höchst willkommen. Und wehe dem Touristen, der bei ihrem Anblick die Nase rümpft.
Steht in den Anleitungen für den Thailand-Reisenden doch ausdrücklich, man müsse die Mönche mit Respekt behandeln. Man verneigt sich und legt ihnen die Geldspende in die geöffnete Hand. Und dann bedankt man sich, dass der Mönch einem Gelegenheit gab, etwas Gutes zu tun.
Und wie kann man in St. Gallen nun öffentlich demonstrieren, dass man wohlhabend genug ist, sich Ferien in Thailand zu leisten? Damit, dass man dem Mann nicht bloss «echli Münz» gibt, sondern nun selbst noch «Vergelt's Gott» sagt. (J. O.)