Sie wirten gerade mal zwei Kilometer voneinander entfernt: Bernadette Lisibach von der «Neuen Blumenau» und Werner Nöckl mit Ehefrau Barbara vom «Ruggisberg» über Konkurrenzdenken und Fast Food.
Bernadette Lisibach und Werner Nöckl, was kochen Sie Feines heute Mittag?
W. Nöckl:Bei uns gibt es Szegediner Gulasch vom Wildschwein aus dem Thurgau, dazu Serviettenknödel. Zum Dessert servieren wir ein Traubensorbet von unseren hauseigenen Reben, bestehend aus einer Mandelhülle und mit einem Hauch Grappa.
Lisibach: Wir bieten ein hausgemachtes Seidentofu mit mariniertem schottischen Lachs an, dazu Ingwer, Koriander und roter Chili. Dann gibt es gebratene Mörschwiler Ente mit Kartoffelpüree und Sellerie. Zum Dessert Schokolade-Tarte.
Gault-Millau zählt Ihre Restaurants zu den besten in der Schweiz. Erneut wurde die «Neue Blumenau» mit 16 Punkten gekürt und die Wirtschaft Ruggisberg mit 15. Gibt es Gäste, die speziell auf diese Auszeichnung achten?
Lisibach: Es fällt mir immer wieder auf, dass die Gäste mitverfolgen, was der Restaurantführer schreibt. Reisende haben sich eine App installiert. Sie informieren sich im Vorfeld und können sich das Restaurant nach ihrem Preissegment aussuchen.
W. Nöckl: Sobald die neuste Ausgabe des Gault-Millau erschienen ist, erhalte ich jeweils zahlreiche Gratulationen von Stammgästen via Telefon und Mail. Aber auch neue Gäste sprechen uns regelmässig darauf an.
Um was für Gäste handelt es sich, die in einem solchen Restaurant speisen?
W. Nöckl: Gäste, die bewusst ein solches Lokal wählen, haben einen kulinarischen Anspruch. Sie wollen sicher sein, dass sie für ihr Geld etwas Ausgezeichnetes erhalten. Gault-Millau ist sozusagen wie eine Garantie.
Lisibach: Genau, es gibt dem Gast eine gewisse Sicherheit. Oft werden in unseren Restaurants auch gerne spezielle Anlässe, sei es zum Beispiel für Firmen, abgehalten. Für den Kunden ist es eine Aufwertung. Gleichzeitig hat er einen hohen Anspruch, den er sichergestellt haben möchte.
Wie kommt es, dass das kleine Dorf Lömmenschwil gleich zwei Gourmetrestaurants hervorbringt?
W. Nöckl: Die «Blumenau» ist schon lange als gute Adresse bekannt. Diese Qualität konnte auch nach dem Besitzerwechsel erhalten bleiben. Die Geschichte des «Ruggisbergs» ist eine ganz andere. Bis 1988 wurde in der ehemaligen Schlossliegenschaft eine Gelegenheitswirtschaft betrieben. Danach wurde die Liegenschaft renoviert. Nach unserem Kauf im Jahr 2001 wurde es zu dem, was es heute ist.
Lisibach: Es spricht für die Gemeinde, dass gleich zwei Gourmetrestaurants bestehen können und wir Freude an den Tag legen. Ein Glück für unsere Gemeinde und die ganze Umgebung.
Frau Lisibach, hatten Sie keine Vorbehalte, die «Neue Blumenau» zu übernehmen, weil die Wirtschaft Ruggisberg bereits bestand?
Lisibach:Nein, ich habe mich sogar gefreut. Denn im Grunde genommen ist es besser, wenn sich verschiedene Lokale etabliert haben. Das zeigt, dass Kundschaft besteht. Ich musste mir aber Gedanken machen, ob ich hier überhaupt arbeiten und leben möchte.
Sehen Sie sich nicht als Konkurrenten?
Lisibach: Absolut nicht. Für mich persönlich ist es bereichernd, mich mit einem Gleichgesinnten austauschen zu können. Jeder hat aber seinen eigenen Kochstil, und so hat der Gast eine Auswahlmöglichkeit.
B. Nöckl: Ich sehe das genauso: Der Gast wünscht Abwechslung. Es gibt zahlreiche Gäste, die in beiden Lokalen verkehren.
W. Nöckl: Ich sehe Bernadette Lisibach als nette Nachbarin.
Lisibach: (lacht) Danke! Das ist wahr. Hin und wieder treffen wir uns ja auch auf einen Kaffee oder ein Glas Wein.
W. Nöckl: Wenn meine Frau und ich einmal früher Feierabend haben, machen wir einen Spaziergang und kehren bei Bernadette Lisibach in der «Neuen Blumenau» ein. Dabei reden wir nicht einmal übers Kochen, sondern über alles Mögliche.
Ist der Standort Lömmenschwil kein Nachteil für Ihre Betriebe? Wäre ein grösseres Dorf oder eine Stadt nicht geeigneter?
W. Nöckl: Bestimmt gäbe es in einer Stadt mehr Frequenz. Dort aber würde sich für mich Arbeit und Wohnen nicht vereinbaren lassen. Einen schöneren Wohnort wie hier auf dem Ruggisberg kann ich mir nicht vorstellen. Für diese Lebensqualität und das damit verbundene Wohlbefinden nehme ich gerne in Kauf, dass wir nicht zentraler gelegen sind.
B. Nöckl: Hier lebt es sich wirklich einmalig!
Lisibach: Es kommt auf die Philosophie des Restaurants an. Gäste, die nach Lömmenschwil kommen, haben ihre Wahl ganz bewusst getroffen und nehmen den Weg gerne auf sich. In einer Stadt hingegen kann es sein, dass sich der eine oder andere Gast überfordert fühlt. Er steuert spontan ein Restaurant an und merkt womöglich zu spät, dass es ihm nicht entspricht.
W. Nöckl: Wo wir einbüssen, ist bei der Alkoholgrenze. In einer Stadt können die Leute viel eher ein Restaurant zu Fuss besuchen, bei uns ist das praktisch nur mit dem Auto möglich.
Lisibach: Das stimmt. Einen Bus gibt es nicht, und der Bahnhof ist einen Kilometer weit entfernt. Meiner Ansicht nach organisieren sich die Gäste aber gut.
Gibt es eine Aufgabe, die Sie am allerliebsten machen?
Lisibach:Eine einzelne Aufgabe nicht, es ist das Ganze: Wenn sich der Gast am Teller erfreut und nach seinem Besuch sagt, dass er hier einen schönen Abend verbracht hat. Auch erfüllt es mich, wenn ich die Mitarbeiter motivieren und ihnen meine Freude übertragen kann.
W. Nöckl: Am liebsten habe ich, wenn mich ein Gast beauftragt, ihn mit einem Gericht zu überraschen. Das ist für mich ein Vertrauensbeweis. Und genau weil ich diesen Gast ja gut kenne, weiss ich, was er mag und was nicht. Eine neue Kombination zu kreieren, empfinde ich als schöne Herausforderung.
B. Nöckl: Mir macht die Gästebetreuung grosse Freude. Ich versuche, ein Gespür für die Situation zu entwickeln und Wünsche des Gastes von den Lippen abzulesen. Wunderbar ist auch, wenn ich einen Wein empfehlen darf, der danach dem Kunden genauso zusagt wie mir.
Der Beruf Koch ist sehr anspruchsvoll und stressig. Mit was hat das zu tun?
W. Nöckl: Bestimmt hat es auch damit zu tun, dass die Leute heute weniger gehemmt sind, Forderungen zu stellen. Zu Recht eigentlich, schliesslich muss für einen stolzen Preis auch die Qualität tadellos sein. Den Druck legt man sich ein Stück weit auch selbst auf. Herausfordernd sind ausserdem die Allergien, die ganz klar zugenommen haben.
Lisibach: Stress gehört beim Kochberuf dazu. Man kann ihn etwas reduzieren, die Erwartungen der Gäste aber bleiben. Tatsächlich können die Unverträglichkeiten der Gäste rasch Stresssituationen hervorrufen. Etwa, wenn man für 50 Tische kocht, der ganze Ablauf bis auf jedes Detail abgestimmt ist und man am Schluss aus Gewohnheit vergisst, den Puderzucker auf dem einen Teller für den Gast mit Diabetes wegzulassen.
Haben Sie auch schon einmal in einem Fast-Food-Restaurant gegessen?
Lisibach: Vielleicht etwa fünf Mal in meinem Leben. Erstmals in meiner Lehrzeit. Alle redeten davon und so probierte auch ich einen Hamburger. Ich muss aber sagen, dass das gar nicht meins ist. Im Moment ist der Magen zwar gefüllt, aber das Sättigungsgefühl hält nicht lange an. Auch erachte ich Essenszeiten als sehr wichtig. Dem Körper zuliebe und auch für die gemeinsame Zeit mit anderen Personen am Esstisch.
W. Nöckl:Eine gute Erfahrung machte ich einmal in einem Kebablokal. Ein Kollege von mir lieferte das Fleisch, und darum wusste ich, woher es stammt.
Sie haben am Anfang des Gespräches erzählt, was Sie für Ihre Gäste kochen. Welches ist Ihr Lieblingsgericht?
W. Nöckl:Mir schmeckt besonders fettdurchzogenes Fleisch, etwa eine Kalbsbrust aus dem Ofen oder eine Kalbshaxe.
Lisibach: Ich mag sehr gerne verschiedene Käsesorten. Und auch einfache Gerichte, zum Beispiel Älplermagronen oder Gschwellti mit Käse und Sauerrahm. Oder jetzt gerade wäre mir auch nach einer feinen Gemüsesuppe.