THAL. Sie sind ein bisschen Künstler, vor allem aber Handwerker: Steinmetze bearbeiten Stein mit Flacheisen und Hammer. Ihr Beruf ist einer der ältesten der Welt und war lange Zeit reine Männersache. Doch dem ist heute nicht mehr so.
THAL. Die Bewegung muss aus dem ganzen Arm kommen, nicht nur aus dem Handgelenk. Sonja Monn schnappt sich das Setzeisen und beginnt, mit gezielten Hammerschlägen die Fläche des Grabsteins aus Rorschacher Sandstein zu bearbeiten. Zwei Zentimeter müssen weg, sagt die Steinmetzin. So lässt sich das Relief, ein Lilienstock, später gut herausarbeiten. Das Blumenmotiv hat Sonja Monn selber gezeichnet und auf den Stein gepaust. Kreativität schade einem Steinmetzen sicher nicht, sagt die Lehrtochter. Trotzdem sei sie keine Bildhauerin. «Steinmetze kümmern sich um das Grobe.» Skizzen, Pläne, Modelle – die Möglichkeiten sind beschränkt. «Bildhauer hingegen sind viel freier, künstlerischer.»
Zwei Wochen braucht Sonja Monn für den Grabstein. Nachdem sie den Grossteil der Fläche «abgesetzt» hat – Steinmetze haben ihr eigenes Vokabular – macht sich Sonja Monn mit der Pressluftpistole an die Details. Es ist eine dreckige und anstrengende Arbeit, der die 18-Jährige im Bärlocher Steinbruch in Thal nachgeht. «Wie jeder gute Handwerker muss ein Steinmetz damit umgehen können. Und mit seinen Händen», sagt sie. Wichtig sei ausserdem, räumlich zu denken – «und Geduld muss man haben. Viel Geduld. Stein ist ein langsames Material.» Umso schöner sei es dafür, seine getane Arbeit zu sehen. «Das ist ja genau das Besondere am Steinmetzberuf», sagt Sonja Monn. Jeder Auftrag sei wie «ein Kind, das man grosszieht».
Der Beruf des Steinmetzen ist einer der ältesten überhaupt. Seit Gedenken verwenden Menschen Naturstein für allerlei Bau- und Kunstwerke. Im antiken Ägypten etwa erbauten Steinmetze die Pyramiden von Gizeh oder Pharaonengrabmäler. Werke von grösster kunsthistorischer Bedeutung. Auch war der Steinmetzberuf kein ungefährlicher. Man vermutet, dass Steinmetze beim Tod eines Pharaos ebenfalls ihr Leben lassen mussten. Denn sie wussten, wo sich die geheimen Gräber befanden.
Heute sieht die Situation natürlich nicht mehr so arg aus. Doch der Beruf ist mit gesundheitlichen Risiken verbunden. Sehnenscheidenentzündungen, Atemwegserkrankungen, Gehörschäden oder Bandscheibenvorfälle gehören zu den häufigsten Krankheiten. Auch die Vibration der verschiedenen Werkzeuge belastet den Körper. «Es gibt Abende, an denen meine Finger taub sind», sagt Sonja Monn. Damit sich Steinmetze über diese Gesundheitsrisiken im Klaren sind, gibt es in der Berufsschule ein Fach über Arbeitssicherheit.
Vier Jahre dauert die Ausbildung zum Steinmetz. Sonja Monn ist im dritten. Ihre Klasse zählt gerade mal elf Schüler, wovon drei Frauen sind. Das ist ungewöhnlich viel. Denn laut einer Statistik des Bundesamts scheint das Werkzeug des Steinmetzen bis heute besser in Männerhände zu passen: 18 Steinmetzlehrlinge sind 2012 zur Lehrabschlussprüfung angetreten. Alles Männer.
Auch Sonja Monn ist im Bärlocher Steinbruch in Thal die einzige Frau. Manchmal fallen Sprüche. «Aber damit kann ich umgehen», sagt sie. Schwieriger sei es, wenn jemand an ihrem Können zweifle. Natürlich könne sie nicht jeden Stein aus eigener Kraft heben, sagt sie. Doch die Maschinen würden es ihr erleichtern. «Ausserdem haben Frauen mehr Geduld für filigrane Arbeiten», sagt Sonja Monn und setzt mit dem Flacheisen erneut am Lilienrelief an.