«Jugend soll verwöhnt sein»

Der Wirtschaftsverband IHK schlägt vor, eine Hochschulabgabe einzuführen. Das heisst, jeder Student müsste nach Abschluss oder Abbruch seines Studiums die Kosten zurückzahlen. Die Idee löst bei Passanten verschiedenste Reaktionen aus.

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Raymond Bursch, 62

Kaufmann, St. Gallen

Ich glaube nicht daran, dass diese Idee jemals verwirklicht wird. Und wieso auch? Man soll das System so lassen, wie es jetzt ist. Bildung sollte schliesslich gefördert und nicht wegen den knapp vorhandenen finanziellen Mitteln eingeschränkt werden.

Alexia Nüssli, 20

Studentin, St. Gallen

Wir in der Schweiz sind mit unseren günstigen Studiengebühren sowieso schon privilegiert. Die Leute sollten also kein Drama machen, wenn die Studenten mehr bezahlen müssten. Ich glaube ausserdem nicht, dass diese Hochschulabgabe einen Rückgang der Studentenzahl zur Folge haben würde. Wer wirklich studieren will, der soll auch das nötige Geld dafür ausgeben. Es macht schliesslich keinen Sinn, ausgerechnet bei der Bildung zu sparen.

Gabriel Hess, 20

arbeitslos, St. Gallen

So etwas ist doch überhaupt nicht fördernd für die Qualität der Bildung. Bei so hohen Kosten überlegt sich doch jeder, der normal viel Geld hat, ob er überhaupt studieren soll. Und wenn sich nur noch die Reichen ein Studium leisten können, dann würde zum Beispiel die HSG noch viel versnobter, als sie es jetzt schon ist.

Christian Weiss, 53

Maschineningenieur, Herisau

Die Qualität eines Studiums darf nicht abnehmen, nur weil die nötigen Mittel nicht vorhanden sind. Wenn es für die Bildung also wichtig ist, dass die Studenten mehr bezahlen, dann ist das vielleicht gar nicht so verkehrt. Ich denke auch, dass mit einer solchen Hochschulabgabe die Studentenzahl kleiner werden würde. Das ist aber gut. Denn vor allem an der HSG gibt es das Problem, dass viel mehr Personen in die Wirtschaftswelt hinausgeschickt werden, als diese wirklich benötigt.

Sebastian Jordan, 21

Zivildienstleistender, St. Gallen

Das wichtigste Gut der Schweiz sind doch die gebildeten Leute. Wieso sollte man deren Anzahl künstlich verkleinern? Was für mich als angehender Student vor allem auch wichtig ist, ist die Freiheit, ein Studium abzubrechen und etwas Neues auszuwählen. Wenn ein Student nach zwei Jahren merkt, dass ihm das Studium überhaupt nicht entspricht. Soll er dann, weil er es sich nicht leisten kann, noch einmal von Neuem anzufangen, einfach die nächsten 50 Jahre im falschen Beruf arbeiten? Ich finde diese Idee absolut hirnrissig.

Jasmin Rohner, 20

Detailhandel, St. Gallen

Einer, der frisch vom Studium kommt, der hat doch sowieso schon kein Geld. Jetzt will man ihm dann auch gleich noch einen riesigen Schuldenberg übergeben. Das finde ich nicht richtig. Ich denke, dass aus diesem Grund viel weniger Menschen studieren würden. Wahrscheinlich auch viel weniger aus dem Ausland. Das wäre doch schade. Schliesslich tut es dem Image der Schweiz gut, wenn ausländische Studenten sehen, was die Schweiz zu bieten hat, und diesen Eindruck dann auch in die Welt hinaustragen.

Sirin Eschenmoser, 25

Praxisassistentin, Altstetten

Ich finde diese Idee grundsätzlich gut. Schliesslich verdient jemand, der studiert hat, meistens ziemlich gut. Natürlich gibt es solche, die nicht bereit sind, so viel für ihre Bildung zu bezahlen. Aber diese Personen können ja aufs Studieren verzichten und etwas anderes machen. Ich bin ausserdem der Meinung, dass die Einstellung, dass man ein Studium ja einfach immer wieder abbrechen kann, falsch ist. Wer die Matura gemacht hat, der ist erwachsen und sollte wissen, was er mit seinem Leben anfangen will.

Ruedi Lüchinger, 52

Techniker, Rorschacherberg

Bildung muss jedem zugänglich sein, egal aus welchen Verhältnissen er kommt. Mit dem Einführen einer Hochschulabgabe würde ein Studium für die untere Mittelschicht einfach unzugänglich. Ich finde aber schon, dass es klug wäre, der Dauer eines Studiums einen Rahmen zu setzen. Vielleicht die Zeit, die man normalerweise für ein ganzes Studium braucht, plus ein Jahr. Jedes zusätzliche Jahr könnte man dann ja bezahlen.

Angeles Parra, 84

pensioniert, St. Gallen

Die Jugend von heute ist verwöhnt, ja. Aber ich finde, das soll auch so sein. Zu meiner Zeit konnte man nicht einfach so ein Studium abbrechen und dann etwas Neues anfangen. Ich wünschte mir aber, es wäre damals schon so gewesen. Diese Freiheit sollte man den jungen Menschen jetzt nicht wieder nehmen.

Interview: Aisha Green

Bilder: Laura Mäder