«Im Kern steht der Song»

Man kennt ihn als Sänger des Trios Good Counselors. Doch der St. Galler Stefan Ingold kann noch mehr. Er malt Bilder, dreht Videoclips, schreibt Texte und arbeitet als Heil- und Theaterpädagoge. Diese Vielfalt ergibt Sinn.

Roger Berhalter
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Der St. Galler Musiker Stefan Ingold in seiner Atelier-Wohnung mitten in der Altstadt. (Bild: Benjamin Manser)

Der St. Galler Musiker Stefan Ingold in seiner Atelier-Wohnung mitten in der Altstadt. (Bild: Benjamin Manser)

An der einen Wand hängen Gitarren, an der anderen hängt eine frisch bemalte Leinwand. Auf dem Boden liegt eine Malunterlage, daneben steht ein Keyboard, im Regal in der Ecke stapeln sich Bücher und vollgeschriebene Tagebücher. Schon in der Wohnungseinrichtung zeigt sich: Stefan Ingold ist nicht leicht zu fassen. Der schlaksige 43-Jährige ist einerseits Musiker und vor allem als Sänger des Trios Good Counselors bekannt. Anderseits malt er auch, schreibt Prosatexte, dreht Videoclips, verwirklicht als Theaterpädagoge Projekte und arbeitet als Heilpädagoge. «Im Moment bin ich dabei, mir künstlerisch die Füsse zu vertreten», sagt er, der in Brüssel geboren und «quer durch die Schweiz» aufgewachsen ist. Seit 21 Jahren wohnt er in St. Gallen.

Musik, Malerei, Film und Literatur: Wie geht das alles zusammen? «Im Kern steht bei mir immer der Song», sagt Ingold. Egal, ob er einen Videoclip für den St. Galler Gitarristen Antonio Malinconico dreht oder für sich eine Leinwand aufzieht und mit Farbe füllt: Es geht um die Lieder. «Die anderen Medien geben mir dafür gute Inputs.»

Das «Maschineli» neu bauen

Stefan Ingold weiss, wie man Songs schreibt. Früher war er in der Band Splitternacht aktiv, wo er sich im deutschen Sprechgesang übte. Später gründete er das Trio Good Counselors, zusammen mit Thomas Sonderegger an der Gitarre und Marc Jenny am Bass. Mehr als ein Jahrzehnt lang spielten die drei ihren transparenten Singer-Songwriter-Pop, nahmen zwei Alben auf und drehten zwei Musikclips. Als der Gitarrist ausstieg und bei Stefan Ingold auch privat einiges «im Umbruch» war, verordnete sich das Trio erst einmal eine Pause. «Die Good Counselors sind im Moment auf Stand-by», sagt Ingold mit seiner sanften Stimme. «Der Ball liegt bei mir, und ich bin dabei, neue Texte zu schreiben.»

Er öffnet einen Ordner voller Notizen und getippter Texte. «Das ist alles neues Material.» Derzeit ist der St. Galler daran, einen neuen Prozess des Liederschreibens zu finden. «Neue Schritte auf meinem Weg zum Song» hat er das Dossier betitelt, das er bei der Stadt eingereicht hat und womit er schliesslich einen Werkbeitrag bekommen hat (siehe Kasten). «Früher hatte ich eine Art Maschineli, das Song um Song ausspuckte», erklärt er seine Arbeitsweise. Er war also ein routinierter Songwriter, hatte aber plötzlich keine Lust mehr, auf altbekannte Weise Lieder zu schreiben, das «Maschineli» also einfach weiterlaufen zu lassen. Stattdessen lotet er nun neue Arbeitsweisen aus. «Ich möchte den Prozess durchdenken, damit ich weniger kopflastig werde. Das klingt paradox, aber es funktioniert. Es geht darum, Strukturen zu schaffen, in denen ich mich frei bewegen kann.»

Unter Druck dank Prosa-Duell

So abstrakt das klingen mag, so konkret wird es in der Anwendung: Gut möglich, dass Ingold zuerst ein paar Striche zeichnet, bevor er sich an einen Songtext macht. «Vielleicht ermöglicht einem das Malen Zugang zu einem anderen Teil der Persönlichkeit», sagt er und erwähnt den Autor Günter Grass, der auch zeichnete, und den Schauspieler Armin Mueller-Stahl, der auch malt. Vor allem aber mache es ihm Spass, eine Leinwand zu bemalen. Oder sich im Texten auszutoben: Im Moment liefert er sich mit einem Freund ein «Prosa-Duell». Alle zwei Wochen schicken sie sich drei frisch verfasste Texte hin und her. «Eine gesunde Art, sich beim Schreiben unter Druck zu setzen», sagt Ingold und lacht.

Am 9. November, wenn die Werkbeiträge im Palace verliehen werden, wird Ingold ein erstes Ergebnis seines neuen Arbeitsprozesses zeigen. «Ich werde einen kleinen musikalischen Beitrag leisten. Und ich bin zuversichtlich, dass man hören wird: Da ist etwas passiert.»