Nach über zwanzig Jahren bei der städtischen Denkmalpflege geht Martin Schregenberger Ende April in Pension. Zum Abschied zeigt er einige seiner Lieblingsorte: St. Katharinen, der Klosterplatz und das Tor zur Teufener Strasse.
Der schwarze Hut, die schwarze Brille, der schwarze Mantel verraten es: Martin Schregenberger ist Architekt. Seit über 20 Jahren arbeitet er bei der städtischen Denkmalpflege. Ende April geht er in Pension.
Als Denkmalpfleger hat Schregenberger unzählige Führungen gemacht. Und wird dies auch weiterhin tun. Er erzählt gerne. Und mit Leidenschaft. Wenn er über Gebäude spricht, dann nicht nur mit dem Kopf. Sondern genauso aus dem Bauch heraus. Er spricht gar von einer «erotischen Beziehung», die er zu Gebäuden hat: «Wenn ich ein schönes Gebäude sehe, dann spüre ich das am ganzen Körper.» In St. Gallen schlägt sein Herz besonders für die Bruder-Klaus-Kirche in Winkeln mit ihrem geschwungenen Dach, für das Stadttheater und fürs Katharinenkloster, wohin er uns auf einen kleinen Stadtrundgang führt.
Der Kreuzgang von St. Katharinen ist einer seiner Lieblingsorte. Es handelt sich um eines der ältesten Gebäude in der Stadt. Ein ursprünglicher, von Efeu umrankter Ort. Ein ruhiger Ort, dessen Geschichte alles andere als ruhig verlief. Schregenberger gefällt besonders die Anekdote, nach der die Frauen, die im 16. Jahrhundert im Kloster lebten, gebildet, eigenständig, ja geradezu aufmüpfig waren. Als das Kloster in der Reformation offiziell aufgehoben werden sollte, seien nur gerade drei Nonnen aus der Gemeinschaft ausgetreten – unter ihnen die Schwester von Vadian. «Ihr blieb wohl nichts anderes übrig», sagt Schregenberger. Die anderen Frauen zogen nach Wil, einige harrten noch 60 weitere Jahre im Katharinenkloster aus.
Aus dem Frauenkloster wurde später eine Buben-, dann eine Theologenschule, eine Stadtbibliothek, ein Handwerksbetrieb – und schliesslich ein Abbruchobjekt. Über hundert Jahre war das Gebäude gefährdet. 1905 sollte es einem gemeinnützigen Projekt weichen, in den 60er-Jahren einem Warenhaus. Beide Male gab es Proteste. «Dass sich die Bevölkerung für alte Gebäude interessiert, stellen wir immer wieder fest», sagt Schregenberger. Die Denkmalpflege sei selbst aus dem Volkswillen entstanden. Das Katharinenkloster zeige exemplarisch, was alles hätte verloren- gehen können.
Auf dem Weg durch die Stadt kennt Schregenberger zu jedem Winkel eine Anekdote. Sein Interesse macht vor keiner Epoche halt. Schon als zehnjähriger Bub hatte er davon geträumt, Denkmalpfleger zu werden. Allerdings habe er seinen Berufswunsch bald darauf wieder vergessen. Er studierte Architektur – wie schon sein Vater und sein Grossvater. Das Bauen wurde ihm sozusagen in die Wiege gelegt. Alle Familienmitglieder hatten damit zu tun – das sei bis ins Jahr 1620 überliefert, erzählt er. Seine Vorfahren kamen als Gastarbeiter aus dem Vorarlberg in die Schweiz, um an den Barockbauten mitzuarbeiten.
Er führt uns vom Katharinenkloster zum Klosterplatz. Sein Vater hatte in den 1960er-Jahren das Innere der Kathedrale restauriert. Damals wurde über eine Tiefgarage unter dem Klosterplatz nachgedacht – heute undenkbar. Das alte Zeughaus sollte abgerissen und durch einen Neubau ersetzt werden. Wiederum gab es Proteste aus der Bevölkerung. Schliesslich kam es laut Schregenberger zu einem Kompromiss: Man liess die Fassaden stehen und höhlte das Innere aus. Wieder ein Erfolg für die Denkmalpflege.
«Wenn man sieht, wie schön sich das alte Zeughaus ins ganze Ensemble einfügt, brauchen wir keine andere Werbung mehr», findet er und stellt klar: «Denkmalpfleger sind keine Fanatiker, sondern Beamte.» Sie haben den Auftrag, den Schutz jener Gebäude sicherzustellen, die im Schutzinventar verzeichnet sind.
Zum Abschluss führt Schregenberger ins Bleicheli-Quartier zu zwei Gebäuden, die das Tor zur Teufenerstrasse bilden. Beide stammen aus der Stickereizeit und wurden vom Architekturbüro Curjel & Moser erbaut. Auf der einen Strassenseite steht das Filtex-Haus, die Luxusvariante aus kostbarem Sandstein. Auf der anderen die «Volksvariante», das Haus «Zum Johannes Kessler», das als Heim für junge Männer gebaut wurde. Trotz begrenztem Budget wollen die Architekten es der Luxusvariante ebenbürtig machen. Und behalfen sich mit einer innovativen Technik: Sie färbten um 1910 den Beton ein.
Schregenberger sieht seine Aufgabe als Denkmalpfleger darin, ein Bewusstsein für die Gebäude zu schaffen. Er zieht einen Vergleich zu Handys. Die meisten Leute befürworten Handys, wollten aber keine Antenne vor ihrem Wohnzimmer. Ähnlich sei es bei der Denkmalpflege: «Die meisten wollen sie – nur nicht am eigenen Haus.» Dabei sei er als Denkmalpfleger nicht gegen einen Wandel. Im Gegenteil: Die Stadt werde immer weiter gebaut. «Es gibt keinen Endzustand.»