Hollein und das Kornhaus

Vergangene Woche verstarb der berühmte Architekt Hans Hollein in Wien. Er präsidierte vor 24 Jahren das Preisgericht eines Ideenwettbewerbs für einen Umbau des Rorschacher Kornhauses.

Otmar Elsener
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Die Teilnehmer des Preisgerichts für den Kornhaus-Ideenwettbewerb 1990: Hans Hollein, Karl Keller, Roman Schlegel, Benito Boari, Kurt Reich, Arnold Bamert, Marcel Fischer und Ruedi Gnädinger (v. l.). (Bild: D-J Stieger)

Die Teilnehmer des Preisgerichts für den Kornhaus-Ideenwettbewerb 1990: Hans Hollein, Karl Keller, Roman Schlegel, Benito Boari, Kurt Reich, Arnold Bamert, Marcel Fischer und Ruedi Gnädinger (v. l.). (Bild: D-J Stieger)

RORSCHACH. Mit Plänen für eine Neunutzung des Kornhauses hat sich vor einigen Jahren bekanntlich der weltberühmte spanische Architekt Santiago Calatrava den Rorschachern vorgestellt. Doch auch der am Freitag verstorbene Hans Hollein, ebenfalls ein anerkannter Meister der Architektur, beschäftigte sich 1990 intensiv mit der Veränderung des Kornhauses.

Lebendiges Kornhaus

1987 machte die städtische Initiative «für ein lebendiges Kornhaus» Schlagzeilen. Ein von vielen stadtbekannten Persönlichkeiten zusammengesetztes Komitee verlangte vom Stadtrat, der Öffentlichkeit im Kornhaus Räume und die technische Infrastruktur für kulturelle Aktivitäten zur Verfügung zu stellen. In der Folge wurde der Verein «Lebendiges Kornhaus» gegründet, um die Ziele der Initiative zu verwirklichen. Es dauerte über zwei Jahre bis sich der Stadtrat entschloss, einen Ideenwettbewerb auszuschreiben. Eingeladen wurden die Rorschacher Architekturbüros sowie zwei St. Galler Büros. Es gelang dem damaligen Stadtrat Ruedi Gnädinger, den renommierten Architekturprofessor Hans Hollein als Fachrichter für das Preisgericht zu gewinnen. Der nahm sofort entscheidend Einfluss, indem er vorschlug, dass es sinnvoll sei, auch Wettbewerbsteilnehmer aus anderen Kantonen einzuladen und eine Begehung des Kornhauses zu veranstalten.

Interessante Vorschläge

Das Preisgericht setzte sich zusammen aus Bauvorstand und Stadtrat Ruedi Gnädinger, Stadtammann Marcel Fischer; den Fachrichtern Hans Hollein und dem Kantonsbaumeister Arnold Bamert; den Experten Karl Keller vom Bundesamt für Kulturpflege, Benito Boari, kantonaler Denkmalpfleger und Roman Schlegel, Chef des Hochbauamtes. Beratende Stimmen hatten der Präsident der Museumsgesellschaft, Christian Ledergerber, ein Vertreter des Initiativkomitees und der Kornhausverwalter Kurt Reich. Hans Hollein beeinflusste das Preisgericht und trug wesentlich dazu bei, dass das Projekt «Trunk» der St. Galler Architekten Kuster & Kuster gewann. Bestechend war deren Konzept, einen neuen Baukörper ins Innere des Gebäudes zu stellen. Geplant war auch ein Glasanbau an der Westseite für ein Restaurant – dort, wo heute die Kornhausbar aufgebaut wird. Hollein überzeugte die Richter, dieses Projekt dem Stadtrat für die Weiterbearbeitung zu empfehlen. Der zweite Preis wurde dem Projekt «Coelestin Gugger» der Rorschacher Architekten Bächtold und Baumgartner zugesprochen.

Es fehlte das Geld

Nun lagen wohl gute Pläne vor, doch die Begeisterung für einen Umbau flaute rasch ab, als Fachleute die Kosten auf 18 Millionen Franken schätzten. «Der Stadt fehlen die Mittel», sagte der damalige Stadtammann Marcel Fischer 1991 und schlug vor, das Kornhaus dem Kanton zu schenken, damit dieser die Umgestaltung finanziere. Die Kantonsregierung erklärte, der Vorschlag stehe «nicht ernsthaft zur Diskussion». Bis 1995 war das Kornhaus nur noch ein Thema in fruchtlosen Sitzungen der gemeinderätlichen Planungskommission, bis 1995 der Gemeinderat dem Stadtrat den Auftrag erteilte, wenigstens detaillierte Pläne für einen Ausbau in Etappen ausarbeiten zu lassen. Leider wurden «Trunk» wie auch das zweitplazierte Projekt zu Planungsleichen. Das Gleiche geschah später mit den brillanten Plänen von Santiago Calatrava. Berühmte Architekten scheinen in Rorschach nicht willkommen zu sein – wird es je für eine Neubelebung des Kornhauses zum «grossen Wurf» kommen?

Wahrzeichen auch innen

Der Rorschacher Historiker Peter Müller bezeichnet das Rorschacher Wahrzeichen als «Kulisse, als leere Pracht, die seit Jahrzehnten auf eine sinnvolle Nutzung wartet». Da besitze man ein historisch und baulich attraktives Gebäude an grossartiger Lage und mache nichts daraus. «Lagerräume, Schifffahrtsamt, Seerettung, ein paar Büros und ein lokales Museum – etwas wenig», sagt Müller.

Über hundert Jahre sind vergangen, seit der Lagerhausbetrieb vom Kanton aufgegeben wurde. Es bleibt die Hoffnung, dass die Rorschacher Bevölkerung demnächst Projekte bewilligen kann, die das Kornhaus nicht nur äusserlich, sondern auch innerlich zum Wahrzeichen der Stadt machen.

Das preisgekrönte Projekt «Trunk» der Architekten Kuster & Kuster. (Bild: Archiv Tagblatt)

Das preisgekrönte Projekt «Trunk» der Architekten Kuster & Kuster. (Bild: Archiv Tagblatt)