ST.GALLEN. Bald entscheidet sich das Schicksal des St.Galler Geothermieprojekts. Sprudelt heisses Wasser im Sittertobel oder ist viel Geld für ein mutiges Experiment erfolglos ausgegeben? Darüber bestehen vage Erfahrungswerte.
Den Doppelsinn hat die Stadt St. Gallen in ihrem Newsletter von vergangener Woche wohl bewusst gewählt: Für das Geothermieprojekt hat nun «die heisse Phase» begonnen. Heiss, bis zu 150 Grad, soll das Thermalwasser sein, das aus dem Untergrund des Sittertobels hervorsprudelt. Heiss ist aber auch die Frage, ob die Bemühungen mit der Erdwärme die Stadt in ihre Energiezukunft führen werden. Anfang August sollen erste Ergebnisse vorliegen.
Am vergangenen Samstag hat der Bohrmeissel eine 300 bis 400 Meter dicke Schicht von Malmkalk durchdrungen. Das Bohrloch ist jetzt 4450 Meter tief. Ab Mitte Juli versuchen Fachleute mit einem Luftdruckverfahren Thermalwasser nach oben zu pumpen.
Falls davon nicht genügend vorhanden wäre, käme nochmals der Bohrmeissel zum Einsatz und würde nun in die nächste Schicht, die aus Muschelkalk besteht, vordringen. Dort könnte ebenfalls Wasser liegen. Das kostbare Nass befände sich dann möglicherweise in einer Kluft. In diese könnte jenes Wasser dringen, das zum Schutz des Bohrers seit Beginn der Arbeiten durch das 15 Zentimeter tiefe Bohrloch fliesst. Die Folge wäre möglicherweise, dass ein neues Loch angestochen werden müsste.
«Uns wäre natürlich am liebsten, wenn wir schon in der ersten Schicht fündig würden», sagt Markus Bischof, Technischer Fachspezialist für Innovation und Geothermie bei den Stadtwerken. Damit wären die Zweifel behoben und müssten auch nicht die Reserven für die Bohrkosten im Muschelkalk angezapft werden.
Anzeichen, dass genügend Wasser vorhanden ist, gibt es bis dato noch keine. Aufgrund mangelnder Erfahrung ist laut Markus Bischof auch nicht zu bewerten, ob dies nun ein gutes oder schlechtes Zeichen sei.
Peter Burri, der Präsident der Schweizerischen Vereinigung von Energie-Geowissenschaftern, hat im «Tages-Anzeiger» die Chance für einen vollen Erfolg eines solchen Projekts mit 30 Prozent angegeben. Das ist auch der Erfahrungswert, den die im Sittertobel tätigen Ingenieure des deutschen Bohrunternehmens Itag für bisherige Bohrungen im Ausland erwähnt haben. Allerdings handelt es sich in der Schweiz um das erste Energieprojekt dieser Art, kann noch nicht von einer Statistik gesprochen werden. Ausserdem hat Projektleiter Marco Huwiler schon vor zwei Jahren auch jene Nutzungsmöglichkeiten angedeutet, sollte Wasser nicht im gewünschten Umfang vorhanden sein (siehe Kasten).
Aber selbstverständlich hofft man in St. Gallen und landesweit auf das «Heureka», das altgriechische «Ich hab's gefunden!», den Ausruf von Archimedes, nachdem er das nach ihm benannte Wasserprinzip entdeckt hatte. Bei ähnlichem Erfolgserlebnis könnte die Hälfte der Gebäude in der Stadt mit kostengünstiger und umweltfreundlicher Geothermie geheizt werden. Das entsprechende Kraftwerk am jetzigen Bohrstandort würde jährlich 80 bis 90 Gigawattstunden an thermischer Leistung erbringen. Auch könnten sechs bis acht Gigawattstunden Strom produziert werden, bei allerdings einem Bedarf von 500 Gigawattstunden pro Jahr.
Auf diese Weise würde St. Gallen auch den Energieplänen des Bundes entgegenkommen. Dieser übernähme bei einem Scheitern des Projekts 50 Prozent der Kosten, welche die Stadt abschreiben müsste, maximal 24 Millionen Franken.