Fast zehn Jahre stand er leer: Jetzt kommt wieder Leben in den Bahnhof Walenstadt. Die Behindertenorganisation OVWB, die Menschen mit einer Hirnverletzung hilft, bekommt vom Kanton St. Gallen 1,3 Mio. Franken für die Umnutzung.
Seit fünf Jahren betreibt der Ostschweizer Verein zur Schaffung und zum Betrieb von Wohnmöglichkeiten für Körperbehinderte OVWB das Haus Selun in Walenstadt, die erste auf Hirnverletzungen spezialisierte Langzeitrehabilitation in der Schweiz.
Das Angebot ist ausgelastet. 22 Personen leben dort jeweils ein halbes Jahr – drei von vier konnten 2009 wieder eingegliedert werden. 3000 bis 5000 Menschen erleiden in der Schweiz jährlich eine Hirnverletzung, 14 000 einen Hirnschlag. Beim OVWB weiss man, dass das allein im Kanton St. Gallen 600 Personen jährlich betrifft.
Trotz guter Reintegration im Haus Selun fehlt ein Angebot vor allem für jüngere Patientinnen und Patienten, die bereits wieder zu Hause leben, aber noch kein grosses Leistungsvermögen aufbringen und eine Tagesstruktur brauchen. Für sie will der OVWB im Bahnhof Walenstadt geschützte Arbeitsplätze schaffen. Geplant sind eine Holzwerkstatt mit drei, ein Bürocenter mit sieben, ein Veloservice mit drei und eine Hauswirtschaft mit zwei Arbeitsplätzen. Dazu kommt eine Auskunftsstelle für die Reisenden.
Insgesamt macht das 15 Arbeitsplätze aus. Belegt sein sollen jeweils zwölf. Das Überangebot soll den – noch schwankenden – Fähigkeiten der Menschen Rechnung tragen, die soeben aus der Langzeitrehabilitation entlassen wurden. Ziel ist die Wiedereingliederung oder eine möglichst hohe Selbständigkeit.
Das Vorhaben wurde vom Kanton St. Gallen nun bewilligt. Der Ausbau ist insbesondere aufgrund eines Lifteinbaus aufwendig.
«Das Bauprojekt zeigt auf, dass das ehemalige Bahnhofgebäude für die Nutzung mit zwölf geschützten Arbeitsplätzen gut geeignet ist», heisst es in der Verfügung des Departements des Innern über den Staatsbeitrag. Weil auch das Dachgeschoss in den Umbau einbezogen werde, könnten «angemessene Platzverhältnisse» geschaffen werden.
In Walenstadt freut man sich darüber, dass im Bahnhof, der seit fast zehn Jahren brach liegt, wieder Leben einkehrt. «Der Bahnhof war viele Jahrzehnte ein wichtiger Treffpunkt und Warenumschlagplatz. In Zukunft wird er wieder ein wichtiger Ort einer modernen Gemeinde sein», sagt Gemeindepräsident Werner Schnider.
Die Bürgerversammlung hat zugleich Ja gesagt zu einer Umgebungsgestaltung für 1,5 Mio. Franken. «Uns war wichtig, mit dem Bushof auch eine benutzerfreundliche Umgebung zu schaffen.» Dazu zählen die Trennung der verschiedenen Verkehrsteilnehmer, der Bau einer Fussgängerrampe von der Unterführung zum Bushof insbesondere für Personen mit Handicap sowie eine gemeindeeigene Toilette. «Der Eingang zum Städtchen wird durch beide Massnahmen echt aufgewertet», so Schnider.
Der Kanton zahlt den Höchstsatz nicht zuletzt wegen des ausgeklügelten Betriebskonzepts. «Der OVWB hat ganz bewusst den Bahnhof gewählt, weil wir den Austausch mit der Bevölkerung wollen», sagt OVWB-Geschäftsleiter Peter Hüberli.
Die Personen, die im Bahnhof arbeiten, sollen nicht abgeschottet sein und der Bevölkerung sollen echte Dienstleistungen angeboten werden. Dazu zählen nicht nur die Dienstleistungen des Bürocenters. Am Bahnhof werden Velos vermietet und kleine Reparaturen erledigt.
Ein weiterer Anspruch der Betreiber ist der Lokalbezug. In der Werkstatt sollen aus einheimischen Hölzern einige Produkte hergestellt werden, die dem Projekt Identität verleihen und «einen Wert» haben – also nicht bloss Beschäftigung um der Beschäftigung willen. So ist die Herstellung eines Holzvelos geplant. Der Prototyp besteht schon.