Gemeinsam gegen Verkehrsinfarkt

IG-mobil-Präsident Jürg Bereuter und Thomas Würth, Sprecher der Gemeinden, sind besorgt wegen der Verzögerung bei der Umsetzung des Gesamtverkehrskonzeptes durch den Bund. Sie schliessen einen Marsch nach Bern nicht aus.

Rudolf Hirtl
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Thomas Würth (links), Sprecher der Gemeinden Rorschach, Goldach und Rorschacherberg bezüglich Gesamtverkehrskonzept, und Jürg Bereuter, Präsident der IG mobil, hoffen, dass der Bund die Umsetzung des Autobahnzubringers Witen nicht verzögert. (Bild: Ralph Ribi)

Thomas Würth (links), Sprecher der Gemeinden Rorschach, Goldach und Rorschacherberg bezüglich Gesamtverkehrskonzept, und Jürg Bereuter, Präsident der IG mobil, hoffen, dass der Bund die Umsetzung des Autobahnzubringers Witen nicht verzögert. (Bild: Ralph Ribi)

Herr Bereuter, die IG mobil fordert die unverzügliche Umsetzung des Viersäulenkonzepts, ansonsten drohe ein Verkehrsinfarkt. Bringen Sie sich ein, weil die hiesigen Behörden diese Problematik verschlafen?

Jürg Bereuter: Nein. Es ist sicher kein Fingerzeig in diese Richtung. Aber wir sind als IG mobil nicht zufrieden mit der Verzögerung bei der Planung des Autobahnanschlusses, die sich ergibt, weil der Bund jetzt bei einem Teil dieses Projektes eingestiegen ist.

Herr Würth, was sagen Sie als Sprecher der drei Gemeinden zur Forderung der IG mobil?

Thomas Würth: Ich begrüsse das Engagement der IG mobil. Wir haben ja dieselbe Stossrichtung. Auch wir wollen die möglichst rasche Realisierung dieses Projektes. Es ist ja eigentlich positiv, dass der Bund den oberen Teil des künftigen Zubringers zur A1 als Nationalstrasse klassiert. Erfahrungsgemäss geht aber alles doch ein wenig schneller, wenn Gemeinden und Kanton die Planung innehaben.

Wie kann denn der ganze Vorgang beschleunigt werden?

Bereuter: Wir können uns als IG vorstellen, in Bern das Gespräch mit den Verantwortlichen zu suchen, um dort das unsägliche Verkehrsproblem in unserer Region bewusster zu machen. Wir finden es beispielsweise im Rahmen des Viersäulenkonzepts richtig, dass der öffentliche Verkehr ausgebaut wird. Aber leider hinkt das Strassenkonzept hinterher, obwohl die sich gegenseitig ergänzenden Massnahmen sinnvollerweise parallel umgesetzt werden müssten.

Wie lässt sich der aktuelle Stand des Gesamtverkehrskonzeptes der Region Rorschach kurz zusammenfassen?

Würth: Bezüglich Autobahnanschluss Witen ist es Fakt, dass dieser mit sehr guten Beurteilungen im Aggloprogramm des Bundes enthalten ist. Weil die Realisierung für das nächste Programm in Aussicht steht, hat er es in die B-Liste geschafft. Beim Abschnitt Witen bis Sulzstrasse, wo die Zuständigkeit beim Bund liegt, sind nun mehr Stellen involviert, geht es etwas langsamer. Im Bereich Kantonsstrasse wird hingegen mit Volldampf gearbeitet, dort läuft es gut.

Den von Ihnen erwähnten oberen Teil des künftigen Zubringers klassierte das Bundesamt für Strassen als Nationalstrasse, weshalb das Projekt überarbeitet werden muss. Wer ist dafür verantwortlich?

Würth: Federführend ist dort der Bund. Dieser hat nun aber das Kantonale Baudepartement mit dem Projekt betraut. Dies ist ein grosser Vorteil, weil das St. Galler Baudepartement viel näher an der Materie dran ist.

Also ein Hoffnungsschimmer, dass es doch vorwärtsgeht?

Würth: Ja, zweifellos. Und das kantonale Tiefbauamt ist auch mit Vollgas an der Planung. Aber, sie müssen jeden Schritt mit dem Bund absprechen, letztlich auch mit dem Bundesrat.

Was war ursprünglich der erhoffte Zeitplan, und wie präsentiert sich der Zeithorizont nun?

Würth: Wir wollten im Strassenprogramm 2014 bis 2018 sämtliche Verfahren, Auflagen und Abstimmungen über die Bühne bringen. Jetzt, wo ein Teil des Projektes nach Bern muss, bin ich mir aber nicht sicher, ob wir dies tatsächlich auch schaffen.

Die IG mobil wäre laut ihrer Aussendung mit einer Verzögerung überhaupt nicht einverstanden. Weshalb ist das so?

Bereuter: Die Bahnschranken in Goldach und Rorschach sind auch durch den Ausbau des Bahnangebots von Jahr zu Jahr länger geschlossen. Damit nehmen die durch den Stau verursachten Kosten zu. Aber auch der Seebus und die Postautokurse werden behindert. Daher freue ich mich, wenn ich nun höre, dass der Bund dem Kanton den Planungsauftrag gegeben hat. Durch meine Gespräche mit zuständigen Personen beim Kanton bin ich überzeugt davon, dass man dort der Region zu einer guten und raschen Lösung verhelfen möchte. Diese stimmt mich sehr zuversichtlich.

Lässt sich ein realistischer Fahrplan für die Umsetzung des Zubringers nennen?

Würth: Bevor die Sache mit dem Bund gekommen ist, habe ich mit einem Baubeginn 2019 gerechnet. Nun dürfte sich der Baubeginn eher in Richtung 2021 bewegen.

Wie kann die IG mobil denn hier Hand bieten und helfen?

Bereuter: Die IG mobil ist wichtig, weil es nicht einfach ist, zwischen dem Rorschacherberg und dem Bodensee eine zusätzliche Strasse zu bauen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, aufzuzeigen, aus welchen Gründen die Umsetzung des Viersäulenkonzepts wichtig ist.

Das Hauptargument der Gegner lautet ja, neue Strassen führen nur zu mehr Verkehr.

Bereuter: Wir sind der Meinung, dass man den Verkehr möglichst rasch in und aus den Zentren bringen muss. Damit werden die restlichen Strassen entlastet, wodurch der Langsamverkehr profitiert.

Was hat nun Priorität, muss zuerst angegangen werden?

Würth: Wir müssen dringend die ganze Zentrumsentwicklung in Goldach vorantreiben. Diese ist ebenso wie beispielsweise die Umgestaltung der Hauptstrasse oder die Unterführung Stadtbahnhof in Rorschach in das Gesamtkonzept der Region eingebettet. Wir können keine einzelne Säule aus den Konzept herausbrechen, sonst kann das Gesamtverkehrskonzept nicht gelingen. Alle eingebundenen Projekte müssen parallel vorangetrieben werden. Wenn wir am Schluss einen Stau an baufertigen Projekten haben, ist eine vernünftige Staffelung noch das kleinste Problem.

Wie wichtig ist es, dass die drei Gemeinden Rorschach, Rorschacherberg und Goldach bei diesem Projekt zusammenarbeiten?

Bereuter: Weil wir noch immer drei Gemeinden haben, sehe ich es als wichtige Aufgabe für die IG mobil, bewusstzumachen, dass die Umsetzung des Viersäulenkonzeptes ein Anliegen der gesamten Region ist. Wir müssen ein Schwarzer-Peter-Spiel unbedingt verhindern. Die Projekte dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.

Würth: Man muss sich bewusst sein, ob mit oder ohne Gemeindegrenzen, die Problematik bleibt dieselbe. Und im Stau vor der Barriere oder auf der Autobahn stehen die Bewohner von allen betroffenen Gemeinden.

Die IG mobil erwartet, dass die Behörden der drei Gemeinden zusammen mit dem Kanton gegenüber den Bundesbehörden Druck machen. Dies hört sich vermutlich einfacher an, als es ist.

Bereuter: Wie gesagt, die IG mobil ist für den Gang nach Bern bereit, wenn dies hilfreich sein kann. Selbstverständlich in Rücksprache mit lokalen und kantonalen Behörden. Wir sind klar dagegen, nun vorschnell einen späteren Termin zu setzen. Wir erwarten, dass die Behörden beim ehrgeizigen ursprünglichen Projektfahrplan bleiben.

Würth: Mir ist es wirklich ein zentrales Anlegen, die aufeinander abgestimmtem Projekte weiterzuentwickeln. Nur so kommen wir auch vorwärts.

Liesse sich das Problem «Verkehr» in der Region Rorschach denn auch ohne zusätzlichen Autobahnzubringer lösen?

Würth: Unserer Meinung nach nicht. Beim Aggloprogramm des Bundes gibt es nur zwei Projekte, die bei der Skala bezüglich Wirksamkeit und Bedürfnis das Maximum von 12 Punkten erreichen. In der ganzen Schweiz gibt es nur drei Projekte mit elf Punkten; und da sind wir dabei. Und von diesen fünf Projekten ist der Anschluss Witen laut Berechnungen des Bundes das Projekt mit dem besten Kosten-Nutzen-Verhältnis.

Bereuter:Auf keinen Fall. Man kann zum Individualverkehr stehen wie man will, aber er ist eine Tatsache. Wir wollen, dass die Region auch bevölkerungsmässig weiter wachsen kann und dabei die Lebensqualität deutlich verbessert wird. Dies geht nicht ohne die Umsetzung des Gesamtverkehrskonzepts.

Tag für Tag sorgt der Feierabendverkehr für lange Staus in Richtung Rorschach-Goldach. (Bild: cot)

Tag für Tag sorgt der Feierabendverkehr für lange Staus in Richtung Rorschach-Goldach. (Bild: cot)

Thomas Würth (links), Sprecher der Gemeinden Rorschach, Goldach und Rorschacherberg bezüglich Gesamtverkehrskonzept, und Jürg Bereuter, Präsident der IG mobil, hoffen, dass der Bund die Umsetzung des Autobahnzubringers Witen nicht verzögert. (Bild: Ralph Ribi)

Thomas Würth (links), Sprecher der Gemeinden Rorschach, Goldach und Rorschacherberg bezüglich Gesamtverkehrskonzept, und Jürg Bereuter, Präsident der IG mobil, hoffen, dass der Bund die Umsetzung des Autobahnzubringers Witen nicht verzögert. (Bild: Ralph Ribi)