Als Maya Gehring vor 17 Jahren als erste Frau ins Schulpräsidium gewählt wurde, wehte ihr ein rauer Wind entgegen. Aufgeben war nie eine Option. Zum Glück: Jetzt übergibt die 49-Jährige eine gesunde Schule.
Corinne Allenspach
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Die Antwort kommt ohne zu zögern. Nein, nie hätte sie bei ihrer Wahl im Herbst 1999 gedacht, dass sie 17 Jahre später immer noch im Amt sein würde. «Ich wäre auch nicht so lange geblieben, wenn das System nicht geändert hätte», sagt Maya Gehring. Für die 49-Jährige, die gern Neues hat, war die Einführung der Einheitsgemeinde im Jahr 2009 eine Herausforderung, die sie – wie alles, das sie macht – mit viel Engagement anpackte. Aber gerade bei Führungskräften sei es für jede Firma eine Chance, wenn sie nach einer gewissen Zeit zurücktreten. «Bevor man nicht mehr mit Elan führt, nicht mehr entscheidet, nicht mehr genau hinschaut, ist es Zeit, den Sessel zu räumen», sagt die CVP-Schulratspräsidentin. Das habe sie an ihrer früheren Stelle im kantonalen Baudepartement jeweils anderen Leuten gesagt. Jetzt handelt sie selber danach. Die Schule sei zu wichtig, als dass sie jahrzehntelang von der gleichen Person geführt werden sollte. «Ein solcher Job macht schon müde.»
Der Start war für Maya Gehring, damals noch Keel, alles andere als einfach. Nicht wegen ihrer Qualifikationen. Die gebürtige Bauerntochter aus dem Toggenburg hatte die Hotelfachschule absolviert und war nach einer unfallbedingten Umschulung mit 30 Jahren bereits Leiterin des Rechnungswesens beim Amt für Umwelt. Aber als erste Frau fürs Engelburger Schulpräsidium, dazu sehr jung und ohne Kinder, sei sie für die Bevölkerung «nicht gerade die Wunschkandidatin gewesen». Das habe sie verschiedentlich gehört und gespürt. Kein Grund, sich einschüchtern zu lassen. Zumal man ihr gesagt habe, es komme eine ruhige Zeit auf sie zu. Die neue Dreifachhalle war fertig, weitere Grossprojekte waren keine geplant. Die nächste Herausforderung liess aber nicht lange auf sich warten: Für die Engelburger Realschüler musste ein neues Daheim gefunden werden, weil mit keiner Oberstufe in der Region mehr eine vertragliche Lösung bestand. Die Schulpräsidentin machte sich stark für eine Beschulung in der eigenen Gemeinde, im OZ Mühlizelg. «Aber die Abtwiler sagten: ‹Wenn wir Schüler aus Engelburg nehmen, dann alle, Real und Sek.›» Die Folge: Die Engelburger Sekschüler mussten die Flade aufgeben.
Das kam nicht bei allen gut an, wie Maya Gehring weiss, die damals einem rauen Gegenwind ausgesetzt war. «Es gab Leute, die setzten sich im Postauto nicht mehr neben mich.» Und an der Urne sagten die Stimmbürger auch prompt Nein zur gemeinsamen Oberstufenlösung. «Viele dachten damals, jetzt hört die junge Frau auf», sagt Maya Gehring und schmunzelt. Aber die junge Frau hörte nicht auf, im Gegenteil. «Für mich war das Abstimmungsresultat mehr Motivation als Frust.» Denn sie und der Schulrat waren überzeugt, dass die Oberstufenlösung in der eigenen Gemeinde die optimale Lösung sei. «Nicht wegen der Finanzen, sondern weil wir in Abtwil eine hervorragende Oberstufe haben.» Dass die gemeinsame Beschulung inzwischen seit Jahren funktioniert, ist für Maya Gehring ein Highlight ihrer Amtszeit. «Das hat viel ausgelöst fürs Gemeinschaftsgefühl», ist sie überzeugt. Die Kinder seien der Grundstein, dass die drei Gaiserwalder Dörfer näher zusammengerückt seien. Das zeige sich etwa an der Fusion der Feuerwehren oder der Ortsparteien.
Nach neun Jahren als Engelburger Schulratspräsidentin wurde Maya Gehring 2009 als erste Schulpräsidentin der Einheitsgemeinde Gaiserwald quasi über Nacht Chefin von rund 150 Mitarbeitenden und 900 Schulkindern. Die Zusammenführung der vier Schulanlagen in Abtwil und Engelburg, jede mit anderer Kultur, war kein Zuckerschlecken. «Aber einfacher als die Oberstufenlösung.» Und Maya Gehring blieb ihrem Führungsstil treu: Geradlinig, stets den Menschen ins Zentrum stellend und bestrebt, die bestmögliche Lösung zu finden, ohne jemanden zu bevorzugen. In den 17 Jahren hat die Engelburgerin viel gegeben, aber auch viel erhalten. «Andere machen teure Weiterbildungen für das, was ich hier gelernt habe», sagt sie. Fachlich, persönlich und als Lebensschulung. Umso mehr freut sie sich, dass der Gegenwind aus der Bevölkerung längst einem spürbaren Goodwill gewichen ist. Der kommenden Zeit mit weniger Verpflichtungen sieht sie ebenfalls mit Freude entgegen. Konkrete Pläne hat sie keine. Sie will einfach wieder mehr Zeit für ihren Mann und ihren sechsjährigen Sohn haben. «Und zur Ruhe kommen.» Später kann sie, die leidenschaftlich gern klettert, wandert und biket, sich auch vorstellen, sich im Gastgewerbe einen Traum zu erfüllen: eine SAC-Hütte oder ein Bergrestaurant zu führen.
Die offizielle Amtsübergabe an Jürg Seitter ist bereits erfolgt. Seit Mittwoch standen für Maya Gehring noch verschiedene Abschiede an: von Schulrat, Verwaltung, Lehrpersonen und Schulkindern. Emotionale Momente, in denen auch Tränen flossen. Denn Dossiers zu übergeben ist das eine. Abschied nehmen von Menschen, die man lieb gewonnen hat, das andere.