Futura hat keine Zukunft

Der St. Galler Kantonsrat ist in der Spitalfrage auf die Linie der Regierung eingeschwenkt. Die Studie Futura, deren Umsetzung die heutige Ordnung auf den Kopf gestellt hätte, kam zu spät in die Diskussion. Eine valable Alternative war nicht erkennbar.

Silvan Lüchinger
Drucken

Die grünen Wiesen, auf denen sich die St. Galler Spitallandschaft neu hätte entfalten sollen, bleiben grün. So zumindest hat der Kantonsrat entschieden. Daran dürfte sich in der zweiten Lesung der Spitalbauvorlagen nichts mehr ändern. Es ist anzunehmen, dass sich die Position der Regierung auch in der Volksabstimmung vom kommenden November durchsetzen wird.

Sieg auf der ganzen Linie also. Bis es so weit war, mussten Gesundheitschefin Heidi Hanselmann und Bauchef Willy Haag allerdings einiges einstecken. Mutlos sei ihre Strategie, rückwärtsgewandt. Ohne Bezug zur rasanten Entwicklung der Medizin und ohne erkennbaren gestalterischen Willen. Die Gescholtenen trugen es mit Fassung – und als die Debatte ins Gehässige zu kippen drohte, beruhigte ein Ordnungsantrag die Gemüter.

Mehr als einmal wurde die Spitalplanung, gegliedert in sechs Einzelvorlagen, als Generationenprojekt bezeichnet. Wer den Auftakt zur Debatte aus neutraler Warte verfolgte, konnte nur zu einem Schluss kommen: die Regierung würde mit ihrem Konzept, alle zur Diskussion stehenden Spitäler zu erhalten und am heutigen Standort zu sanieren, grandios Schiffbruch erleiden. Die SVP wie zu erwarten, aber auch FDP und CVP, GLP und BDP, das ganze bürgerliche Lager liess kaum einen guten Faden am Vorhaben. Am Ende des verlängerten Sitzungstages, als alle erleichtert waren, heute nicht nochmals antreten zu müssen, sah es dann ganz anders aus. Nachhaltigen Widerstand hatte lediglich die SVP geleistet. Nachdem der Einstiegsdampf abgelassen war, schwenkten die anderen Fraktionen auf die Linie der Regierung ein. Die FDP zumindest mehrheitlich. Weil eine valable Alternative nicht zu erkennen war.

Die Studie Futura, von der SVP angestossen und von der Industrie- und Handelskammer in Auftrag gegeben, hätte sie aufzeigen sollen. Eins zu eins umgesetzt, wäre mit Futura kein Stein auf dem anderen geblieben. Drei Spitäler sollten «auf der grünen Wiese» neu gebaut, andere in ambulante Gesundheitszentren umgewandelt werden. Als Vision, als grosser Wurf, dem sich Politik und Bevölkerung in jahrelanger Arbeit hätten annähern können, hatte Futura ihren Reiz. Als Modell mit Präsentationsdatum August 2013, ein halbes Jahr vor der parlamentarischen Beratung, war die Studie chancenlos. Unausgegoren, unpräzis, mit mindestens so vielen offenen Fragen wie Antworten.

Die Begeisterung, mit der Teile von FDP und CVP anfänglich auf Futura reagierten, entpuppte sich als Strohfeuer. Die Absetzbewegung kam rasch in Fahrt. Wie radikal sie war, zeigt am besten, dass Futura in der ganzen mehrstündigen Debatte kaum einen Nebensatz wert war. Es war, als hätte es die Studie gar nie gegeben.

Mehrfach wurde der Regierung gestern vorgeworfen, sie habe die Jahre des Spitalbaumoratoriums untätig verschlafen. Abgesehen davon, dass es dieses Moratorium angesichts der Investitionen in den vergangenen 15 Jahren gar nicht gab, muss sich das Parlament hier an der eigenen Nase nehmen. Wenn eine Exekutive ihre Pflicht nicht erfüllt, hat die Legislative Mittel und Wege, ihr Beine zu machen. Zu erinnern ist etwa an jene Motion, mit der die SVP 2009 verlangte, die Erneuerung der Spitalinfrastruktur im Rheintal sei rechtzeitig an die Hand zu nehmen. Die Motion hätte – unabhängig vom Ergebnis – zum Anstoss für eine Auslegeordnung und breite Diskussion mit der Bevölkerung werden können. Sie wurde abgelehnt. Das nicht zuletzt, weil sie aus der falschen politischen Ecke kam.

Wie geht es weiter? Nach erfolgter zweiter Lesung gelangen die Bauprojekte – inklusive Darlehen für den Neubau des Ostschweizer Kinderspitals auf dem Areal des Zentrumsspitals St. Gallen – im Spätherbst an die Urne. Die SVP wird nochmals versuchen, die Vorlagen für Altstätten und Grabs zugunsten eines Neubaus bachab zu schicken. Auch wenn überhaupt nicht gesichert ist, wo dieses sogenannte Schwerpunktspital zu stehen käme und was ein solcher Neubau für das Spital in Walenstadt bedeutete. Dass es sich halten könnte, ist unwahrscheinlich.

Stärkster Verbündeter der Regierung im Abstimmungskampf ist der Leidensdruck. Niemand bestreitet, dass ein Grossteil der bestehenden Spitäler in einem Zustand ist, der heutigen Ansprüchen nicht genügt – weder in baulicher noch in medizinischer oder betrieblicher Hinsicht. Jedes Nein würde die Erneuerung um Jahre zurückwerfen oder könnte – beispielsweise für Altstätten – sogar das definitive Aus bedeuten. Auf dieses Risiko wird sich die Bevölkerung kaum einlassen. Trotz aller Schwierigkeiten, die mit einer Sanierung bei laufendem Spitalbetrieb zu erwarten sind.

Parallel zur baulichen Erneuerung ist aber auch die organisatorische Optimierung der Gesundheitsversorgung weiter- zuverfolgen. Wo noch Leistungskonzentrationen möglich und sinnvoll sind, müssen sie umgesetzt werden. Dasselbe gilt für die Zusammenarbeit über die Kantons- und sogar über die Landesgrenze hinaus. Wer gut bleiben will, muss stetig besser werden wollen.

silvan.luechinger@tagblatt.ch