Fleischkäse statt Filet

Seit 100 Tagen ist der neue Stadtbaumeister Hansueli Rechsteiner im Amt. Der Rheintaler spricht über die Rolle der Stadt als Bauherrin, über Verantwortung und über ein knappes Budget.

David Gadze
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Stadtbaumeister Hansueli Rechsteiner vor der Militärkantine, die für ihn ein Sinnbild für die Baukultur ist. (Bild: Benjamin Manser)

Stadtbaumeister Hansueli Rechsteiner vor der Militärkantine, die für ihn ein Sinnbild für die Baukultur ist. (Bild: Benjamin Manser)

Hansueli Rechsteiner macht immer wieder kurze Pausen, um die richtigen Worte zu finden. So präzis er architektonische Pläne zeichnet, so exakte Wortbilder malt er. Für ihn sind Gebäude mehr als Hüllen und Worte mehr als Hülsen. Als Treffpunkt für das Gespräch hat der Stadtbaumeister die «Militärkantine» vorgeschlagen – jenes Gebäude, für dessen Neubelebung er als Architekt zuständig war, das für ihn aber auch einen ersten Brückenpfeiler in die Bauverwaltung bildete. Die «Militärkantine» ist für ihn auch ein Sinnbild für die städtische Baukultur. «Sie steht dafür, dass wir uns als Gesellschaft entscheiden müssen, ob wir uns solche Häuser, bei denen nicht die Rendite im Zentrum steht, leisten wollen – ob wir es uns wert sind.»

Analytisch und intuitiv

Seit 100 Tagen ist Rechsteiner nun im Amt. «Den Geruch des Amtshauses kannte ich aber schon», sagt der 47-Jährige. 2013 wurde er in die Baubewilligungskommission gewählt. Als vor knapp einem Jahr der Rücktritt von Erol Doguoglu bekannt wurde, überlegte er dennoch lange, ob er sich um die Stelle des Stadtbaumeisters bewerben soll. Der neuen Herausforderung auf der einen stand die Aufgabe der Selbständigkeit auf der anderen Seite gegenüber. «Ich bin einerseits sehr analytisch, andererseits arbeite ich intuitiv.»

Rechsteiner wuchs in Altstätten auf und besuchte die Kantonsschule Heerbrugg. In Zürich schloss er das Studium der Naturwissenschaften ab. «Aber eigentlich wusste ich vom ersten Tag an, dass es nicht das Richtige für mich ist.» Also absolvierte er gleich anschliessend ein Architekturstudium und arbeitete danach für verschiedene Architekturbüros in St. Gallen und Basel. In der Rheinstadt gründete er mit seiner Frau, die er noch von der Kantizeit kennt, eine Familie, ehe er sich 2005 selbständig machte und mit seinem Studienkollegen Stefan Rüsch in St. Gallen das Büro Rüsch & Rechsteiner gründete.

Auf die Zutaten kommt es an

Als Stadtbaumeister muss sich Rechsteiner viel stärker nach finanziellen Vorgaben und politischen Entscheidungen richten. Dass die Stadt bei Investitionen sparen müsse, sei aber nicht zwingend schlecht: «Wenn ich nicht so viel Geld im Portemonnaie habe, gehe ich nicht nach Lust und Laune einkaufen, sondern überlege mir gezielt, was ich brauche.» Nicht die Menge sei entscheidend, sondern die Qualität. «Entsprechend erwarte ich von der Stadt, dass sie eine gute Bauherrin ist – und nicht eine Vielbauerin. Es muss nicht immer das Filet sein, ein gut gemachter Fleischkäse kann genauso gut schmecken.» Auf die Zutaten komme es an. «Genauso wenig, wie ich mit schlechten Zutaten gut kochen kann, kann ich mit schlechten Materialien gut bauen.»

Rechsteiner spricht von Verantwortung. «Wir sind künftigen Generationen gegenüber verpflichtet, unserer Baukultur – der vergangenen wie der heutigen – Sorge zu tragen.» Ein Gebäude könne sich auch nach Jahren wie ein Liebesbrief lesen. Es sei zurzeit leider häufig zu beobachten, dass Bauen nicht mehr ist als die Umsetzung messbarer Kriterien des Baurechts – und der grösstmöglichen Ausnützung dienen soll. «Oft steht der ausbeuterische Gedanke im Vordergrund. Das empfinde ich zuweilen als unanständig.»

Den Austausch fördern

Als «zwingende Notwendigkeit» bezeichnet Rechsteiner deshalb auch die Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Amtsstellen der Bauverwaltung, aber auch mit jenen anderer Direktionen. «Ich erwarte von mir und meinen Amtskollegen, dass wir stärker zusammenwachsen und uns austauschen, und zwar nicht nur per Mail, sondern in persönlichen Gesprächen.»