ST.GALLEN. Die Vertreter der Verkehrsteilnehmer beurteilen die Ergebnisse des Städtevergleichs zur Mobilität unterschiedlich. Entsprechend unterscheiden sich auch ihre Forderungen an die Politik – von mehr Parkplätzen bis zu besseren Velowegen.
Verschiedene Gruppen teilen den Verkehrs-Kuchen mit unterschiedlichen Anteilen unter sich auf. Wie eine Mobilitätsstudie des Bundes aufzeigte, hat St. Gallen von den sechs grössten Deutschschweizer Städten den höchsten Auto-, aber den tiefsten Veloanteil (Tagblatt vom 29. Januar). Die Vertreter der Verkehrsteilnehmer interpretieren die Resultate unterschiedlich. Sie wollen aber alle dasselbe: Ein möglichst komfortables Vorwärtskommen.
«Ich habe das Gefühl, dass in der Stadt ein gutes Nebeneinander der verschiedenen Verkehrsteilnehmer herrscht und sich das Angebot gut ergänzt», sagt Martin Würmli, Präsident der TCS-Regionalgruppe St. Gallen und Umgebung und CVP-Stadtparlamentarier. Anders als das aus links-grünen Kreisen zuletzt zu hören gewesen sei, werde der Autoverkehr seiner Meinung nach nicht bevorzugt. «Eher das Gegenteil ist der Fall: Wir beobachten, dass der Individualverkehr zunehmend stiefmütterlich behandelt wird.»
So habe man etwa die südliche Altstadt neu gestaltet, es aber verpasst, in unmittelbarer Nähe ein ausreichendes Parkplatzangebot zu schaffen. Statt einem Parkplatzabbau in der Innenstadt müsse ein gutes Angebot bereitgestellt werden, um den Suchverkehr einzuschränken. «Es ist eine Illusion zu glauben, dass man ausserhalb der Innenstadt parkiert, wenn man dorthin will.» Eine gute Infrastruktur löse ausserdem nicht automatisch Mehrverkehr aus, sagt Würmli.
Er habe den Eindruck, dass der öffentliche Verkehr (öV) gut genutzt werde. «Trotz der guten ÖV-Netzdichte in St. Gallen ist es in mittelgrossen Städten aber wohl schwierig, das Busangebot so zu gestalten, dass der öV zum Hauptverkehrsmittel wird.» Das habe – ebenso wie beim Veloverkehr – nicht zuletzt mit der topographischen Situation St. Gallens zu tun.
Ähnlich sieht das Oskar Gabler, Geschäftsführer des ACS St. Gallen-Appenzell. «Es gibt ein ausgewogenes Verhältnis der verschiedenen Verkehrsteilnehmer. Und wir können uns glücklich schätzen, dass im Gegensatz zu Städten wie Zürich oder Bern in St. Gallen der Verkehr noch rollt.»
Zudem sei das ÖV-Angebot in der Stadt «erstklassig» und ein Umstieg jederzeit möglich. Repressionen beim Privatverkehr wären daher falsch: «Es soll jeder selber entscheiden können, mit welchem Verkehrsmittel er sich fortbewegt.»
Zusammen mit Bern hat St. Gallen den höchsten Anteil von Fussgängern am Gesamtverkehr (39 Prozent). «Das ist ein Signal, dass vieles gut ist», sagt Robert Furrer, Vertreter des Fachverbandes Fussverkehr Schweiz für die Region St. Gallen-Appenzell und Stadtparlamentarier der Grünen. Es gebe jedoch Schwachstellen, die es zu verbessern gelte. Dabei müsse man die Mobilität ganzheitlich anschauen. Für Fussgänger seien jedoch zwei Dinge zentral: Die Attraktivität der Verkehrswege – also möglichst direkte und angenehme Verbindungen – und deren Sicherheit, die gerade vom Nebeneinander mit den «stärkeren» Verkehrsteilnehmern abhänge. Dazu gehöre auch das Velo.
Schon mit kleinen Massnahmen wie längeren Grünphasen an Lichtsignalen oder breiteren Trottoirs liesse sich viel bewirken. Im Agglomerationsprogramm seien bereits einige Verbesserungen vorgesehen. «Ich erwarte deshalb vom Stadtrat und vom Stadtparlament den politischen Willen, entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen», sagt Furrer.
Beim Verkehr brauche es ein Umdenken, ja eine «Mobilitätsrevolution». So müssten laut Furrer etwa Strassen vom Strassenrand zur Mitte geplant werden, nicht umgekehrt. Raumplanerisch gelte es, kurze Wege zu schaffen, um die Mobilität tief zu halten. «Der Strassenraum muss auch Lebensraum sein können.»
Der Veloanteil ist in St. Gallen mit drei Prozent so tief wie in keiner der anderen Städte. Die Topographie der Stadt werde dabei als Ausrede missbraucht, sagt Thomas Walter, Vizepräsident von Pro Velo Region St. Gallen. Gerade was die boomenden E-Bikes betreffe, stimme diese Feststellung nicht. Vielmehr mache die Stadt zu wenig, um den Veloverkehr zu fördern. «Es fehlt ein durchgehendes Velonetz, gerade an kritischen Stellen», sagt Walter. Zudem brauche es eine stärkere Berücksichtigung der Velofahrer an Lichtsignalen. «Und bei Um- oder Neugestaltungen von Strassen würden wir gerne von Anfang an in die Planung einbezogen werden.»