ENERGIENETZ: Kalte Fernwärme in heisser Phase

Das Energienetz GSG im Industriegebiet zwischen St.Gallen und Gossau wird konkret. Bis 2020 sollen die ersten beiden Etappen gebaut werden. Jetzt müssen die Parlamente von St.Gallen und Gossau Ja sagen.

Luca Ghiselli
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Luca Ghiselli

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Die Vision wird langsam zur Tatsache: Im Industriegebiet St.Gallen West/Gossau Ost soll bald der Startschuss für den Bau eines sogenannten Anergienetzes fallen. Als Projekt aus dem Energienetz GSG (Gossau-St.Gallen-Gaiserwald) wollen die Städte St.Gallen und Gossau, die Gemeinde Gaiserwald sowie die St.Gallisch-Appenzellische Kraftwerke AG (SAK) einen grossen Wärmeverbund aufbauen. Erste Wärmelieferanten und Wärmebezüger konnten bereits vom Projekt überzeugt werden.

Damit die ersten Bauetappen des Energienetzes GSG in einem sogenannten Initialcluster aber überhaupt realisiert werden können, muss dafür zuerst eine Gesellschaft gegründet werden. Die Stadt St.Gallen beteiligt sich an der neuen AG wie Gossau und die SAK mit je 600'000 Franken Aktienkapital. Gaiserwald steuert 100'000 Franken bei. Voraussichtlich an seiner nächsten Sitzung vom 20. März entscheidet das Stadtparlament über die Beteiligung – und über Beiträge aus dem städtischen Energiefonds in der Höhe von 350'000 Franken sowie einen einmaligen Beitrag von 500'000 für die Vorabschreibung des Investitionsprojekts.

Initialcluster als Testballon

Beim Wärmeverbund handelt es sich um eine überkommunale Kooperation. Selbst wenn das Stadtparlament der Beteiligung zustimmt, werden die Beträge erst dann ausgegeben, wenn alle anderen Partner mitziehen. Erste Schritte zur Realisierung des Netzes sind bereits unternommen. So hat die City-Garage in ihrem Neubau bereits einen entsprechenden Anschluss installiert. Sie soll in Zukunft – genau wie die Steinemann Technology AG, die Schläpfer Altmetall AG und die Max Bersinger AG – mit der Abwärme der Ernst Sutter AG (Suttero) versorgt werden. Diese Erschliessung stellt den Initialcluster dar, der bis 2020 gebaut werden soll. Später folgt dann unter anderem die Arena, als Wärmelieferant kommt die DGS Druckguss Systeme AG hinzu.

Das etappierte Vorgehen liegt weniger an der Technik als an der Wirtschaftlichkeit, sagt der St.Galler Stadtrat Peter Jans. «Wir wollen nur Etappen realisieren, die sich finanziell tragen können.» Die Technik sei hingegen erprobt und ausgereift. Bis anhin sei der Westen der Stadt «ein weisser Fleck auf den Energieplänen gewesen. Mit der kalten Fernwärme ändere sich das nun, sagt Jans. «Diese Lösung ist auch wirtschaftlich sinnvoller, als das Fernwärmenetz von Osten her über den Sittergraben zu ziehen.» Die Energie sei im Industriegebiet in Form von Abwärme der Betriebe ja bereits vorhanden – man puste sie derzeit einfach in die Umgebung.

Wärmeempfänger zahlen mehr

Die Unternehmen, die das Angebot dereinst nutzen sollen, nehmen dafür in Kauf, einen höheren Preis als bisher zu bezahlen. 16 Rappen pro Kilowattstunde bezahlen die Wärmeempfänger des Energienetzes GSG, aktuell bezahlen sie durchschnittlich 13 Rappen. «Die Abnehmer bezahlen zwar etwas mehr, nehmen damit aber auch ihre ökologische Verantwortung wahr», sagt Peter Jans. Diese Bereitschaft seitens der Privatwirtschaft seit unabdinglich für den Erfolg des Wärmenetzes.

Stimmt das St.Galler Stadtparlament der Beteiligung zu – und ziehen auch die anderen Partner mit –, wird bereits im Sommer die Betreibergesellschaft GSG AG gegründet. Danach sollen die Verträge mit den Wärmelieferanten und -bezügern abgeschlossen werden. Frühstmöglicher Baustart ist im ersten Quartal 2019. Der operative Betrieb des Energienetzes soll im Herbst/Winter 2019 erfolgen, die Anbindung der City-Garage ab dem 2. Quartal 2020. Dann beginnt die Planung für die dritte Etappe. Bis 2050 sollen weite Teile zwischen Mettendorf und Winkeln und auch Abtwil etappenweise erschlossen werden.

Wärme lokal produzieren

In einem Anergienetz wird die Abwärme grosser Industriebetriebe mittels Rückgewinnungsanlagen sowie eines wassergeführten Leitungsnetzes an andere Betriebe oder Wohngebiete verteilt. Man spricht deshalb auch von «kalter Fernwärme». Die Temperatur des Wassers in den Leitungen beträgt zwischen 8 und 22 Grad – und ist somit wesentlich höher als bei Erdsonden oder Grundwasser. Die Wärme wird somit lokal produziert, benötigt kaum Wartung und minimiert zudem den CO2-Ausstoss der Wärmeproduktion. Zudem besteht die Möglichkeit für Industriebetriebe, auch Klimakälte über das Anergienetz zu beziehen und so Kältemaschinen zu ersetzen. Die Abwärme der Kälteanlagen kann wieder über das Netz abgeführt werden. (ghi)

www.energienetz-gsg.ch