ST.GALLEN. Der Verkäufer schüttelt schon den Kopf, bevor die Kundin mit dem fragenden Blick überhaupt den Mund aufgemacht hat. Er lächelt dann, ein bisschen mitleidig, ein bisschen müde. «Nein, sorry, wir haben keine Gummistiefel mehr.
St.Gallen. Der Verkäufer schüttelt schon den Kopf, bevor die Kundin mit dem fragenden Blick überhaupt den Mund aufgemacht hat. Er lächelt dann, ein bisschen mitleidig, ein bisschen müde. «Nein, sorry, wir haben keine Gummistiefel mehr.» Ein Satz, den er an diesem Tag wohl schon mindestens zum zwanzigsten Mal sagt. Und nicht nur der Verkäufer in diesem Schuhgeschäft: Wohl auch seine Gspänli in den anderen Geschäften. Denn in der St.Galler Innenstadt herrschte gestern, am ersten OpenAir-Tag, ein regelrechter Notstand an Gummistiefeln. Der Schlamm im Tobel scheint OpenAir-Gänger zu Hunderten in die Schuhgeschäfte getrieben zu haben.
So ist in den Regalen erstens übrig geblieben, was keiner tragen kann. Winzige und riesige Stiefel. Wer also auf sehr grossem oder auf sehr kleinem Fuss lebt, hat noch eine Chance, dass derselbe am OpenAir trocken bleibt.
Es mache aber auch nichts, wenn die Stiefel ein bisschen zu gross seien, versucht eine Verkäuferin in einem kleineren Schuhgeschäft, ihre Stiefel doch noch an einen ziemlich verzweifelten Kunden zu bringen. Der bleibt skeptisch. «Ein bisschen zu gross macht ja vielleicht nichts, aber drei Nummern?» Nach einigem Hin und Her gibt die Verkäuferin auf. Nicht, ohne zuvor noch – hartnäckig, aber erfolglos – Wanderschuhe als Alternative angepriesen zu haben.
Zweitens übrig geblieben sind die besonders teuren Gummistiefel-Exemplare, wie sich ein Geschäft weiter zeigt. Aber was nützt der schönste Markenstiefel, wenn man ihn vor lauter Schlamm sowieso nicht richtig vorzeigen kann? Und überhaupt: Wer ist schon bereit, für ein bisschen Kautschuk – wenn auch handverarbeitet in Schottland – fast 200 Franken zu bezahlen?
Schliesslich ebenfalls noch in den Regalen stehen die besonders, nun ja, originellen Exemplare. Stiefel in Farbkombinationen, die beim Anschauen fast wehtun. Und solche, mit denen man sich beim Laufen ganz sicher wehtut: Gummistiefel mit Sieben-Zentimeter-Absatz. Als wäre es nicht schon schwierig genug, ohne einen solchen durch den Schlamm zu kommen. Was immer sich der Designer dabei gedacht hat: Dauert die Gummistiefel-Krise in der Stadt heute und morgen noch an, findet vermutlich leider auch dieses Paar noch seine Käuferin.
Malolo Kessler