Wie an anderen Orten in der Schweiz verschenken Wohlhabende in St. Gallen derzeit Villen und Häuser. Aber nicht weil Geben seliger denn Nehmen sein soll, sondern weil es bald eine Erbschaftssteuer geben könnte.
«Es ist ein richtiger Schub. Nach den Herbstferien hat die Zahl der Anmeldungen deutlich zugenommen», sagt Viktor Hungerbühler. Er ist Leiter des Grundbuchamtes St. Gallen, und was angestiegen ist, ist die Zahl der Anträge auf Handänderungen von Immobilien. Wie vielerorts in der Schweiz werden in St. Gallen in diesen Tagen Villen und Mehrfamilienhäuser in rauhen Mengen verschenkt – gegen hundert Verträge sind unterschriftsreif. Darf Hungerbühler sagen, welche Häuser den Besitzer wechseln? «Nein, dazu haben wir keine Berechtigung.» Allerdings: Beim Grundbuchamt kann jedermann die Auskunft einholen, wem ein bestimmtes Objekt gehört.
Anlass für die Schenkungswelle ist die Eidgenössische Volksinitiative «Millionen-Erbschaften besteuern» (siehe Kasten). Zwar werden dafür noch Unterschriften gesammelt. Aber sollte die Initiative dereinst vom Volk angenommen werden, tritt sie für Schenkungen rückwirkend auf 1. Januar 2012 in Kraft. Wohlhabende Villen- und Hausbesitzer sagen sich: Vor diesem Datum die Immobilie dem Nachwuchs überschreiben, sonst droht die Steuer.
Die Initiative will, dass in der Schweiz neu Erbschaften und Schenkungen mit einem Wert von über zwei Millionen Franken mit einem Steuersatz von 20 Prozent besteuert werden. Insbesondere in Landesteilen, in denen viel Kapital zu Hause ist, werden Grundbuchämter derzeit überrannt. Auch in St. Gallen sei die Arbeitsbelastung höher, werde aber derzeit mit Überstunden aufgefangen.
In normalen Jahren bearbeiten Hungerbühler und seine Crew – das Grundbuchamt hat 950 Stellenprozent – etwa 700 Handänderungen. Weil nun aber innert eines Monats hundert Anmeldungen ins Haus geflattert sind, ist keineswegs sicher, dass es ruhige Feiertage geben wird.
Denn erstens weiss Hungerbühler nicht, ob in den nächsten Tagen und Wochen der Schenkungsrun noch zunimmt. Und zweitens ist er abhängig von den rund hundert Schenkern und den Beschenkten: Diese müssen zur Unterschrift ins Amtshaus an der Neugasse kommen. Warten sie damit, bis es richtig weihnachtet, gibt es ein ziemliches Stelldichein im Amtshaus.
Wie geht die Schenkung einer Villa vor sich? Sie beginnt mit der Anmeldung auf dem Grundbuchamt. Dieses setzt einen Vertrag auf, der beiden Parteien zugeschickt wird. Zudem wird darauf aufmerksam gemacht, dass aufgrund der Handänderung eine Grundstückgewinnsteuer anfallen könnte. Diese einmalige Steuer wird erhoben, wenn mit der Schenkung der bisherige Besitzer die Nutzniessung – zum Beispiel die Einnahme von Mietzinsen – an der Liegenschaft behält.
Eine allfällige Grundstückgewinnsteuer kann man bei der zuständigen Abteilung beim Steueramt des Kantons ausrechnen lassen. Was auch passiert: «Wir haben einen deutlichen Anstieg der Abklärungen im Zusammenhang mit der Erbschafts-Initiative», sagt Abteilungsleiter Albert Odermatt. Entscheiden sich die Besitzer trotzdem, die Immobilie zu überschreiben, bezeugen sie und der Beschenkte dies mit Unterschrift. Dann wird die Handänderung ins digitale Grundbuch eingetragen: «Das Grundbuch ist heute elektronisch», sagt Hungerbühler.