Wie sieht das aktuelle St.Galler Nachtleben aus? Wo liegen die Konflikte? Regelt die Stadt den Ausgang zu streng? Antworten auf diese Fragen lieferte am Samstag eine Podiumsdiskussion.
Roger Berhalter
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«Verändertes Ausgehverhalten», so lautet der Titel der Podiumsdiskussion am Samstagabend im Ivy-Club. «Nacht Gallen» hat dazu eingeladen, die Interessengemeinschaft der städtischen Bars und Clubs und Kulturveranstalter. Schon nach kurzer Diskussion scheint klar: Das Ausgehverhalten hat sich zum Guten verändert. Zumindest im öffentlichen Raum gebe es heute weniger Probleme als früher, sagt Ralph Hurni, Kommandant der Stadtpolizei. Er nennt als Extrembeispiel den Sommer 2003, als auf Drei Weieren wochenlang täglich eine Party stieg. Stadträtin Maria Pappa bezeichnet die Stimmung in der Stadt als friedlich – manchmal sei es fast zu ruhig. Eine mögliche Erklärung liefert Daniel Bondt, Vorstandsmitglied von «Nacht Gallen» und langjähriger Partyorganisator: Die Jugend von heute lebe gesünder und schlage weniger über die Stränge, «als wir es früher noch taten».
Die Nachtschwärmer von heute sind auch beweglicher geworden, dynamischer, schwerer zu fassen – «fluider», wie es Stephan Schlenker, Dozent an der Fachhochschule St.Gallen im Bereich Soziale Arbeit, auf dem Podium ausdrückt: «Die Jugend differenziert sich in viele Szenen und Milieus aus. Man bewegt sich nicht mehr nur in einer Gruppe.» Das sei nicht zuletzt dank der sozialen Medien möglich geworden. Welch wichtige Rolle diese Medien spielen, bestätigen die beiden Jugendlichen auf dem Podium. «Das Posieren ist im Ausgang wichtig. Man will in den sozialen Medien zeigen, wer man ist, und wo man gerade ist», sagt Emilia Steiger. Dan van de Gaer ergänzt: «Früher gab es pro Club nur einen Partyfotografen. Heute ist jeder ein Partyfotograf.»
Länger dreht sich die Diskussion um die Bewilligungspraxis der Stadt. «Die Bewilligungen werden sehr restriktiv erteilt. Manchmal sogar so restriktiv, dass sie untauglich sind. Das treibt Veranstalter in die Illegalität», sagt Daniel Bondt. Emilia Steiger, die das jährliche Jungkult-Festival in der Innenstadt mitorganisiert, bemängelt die vielen Auflagen, welche die Stadt dem Festival jeweils mache: «Es ist jedes Mal ein Riesenkampf.» Da schaltet sich Lukas Hofstetter in die Diskussion ein. Der Kulturveranstalter spricht von einer «Angsthaltung» bei der Stadt: Aus Angst vor negativen Konsequenzen verzichte man im Zweifelsfall lieber auf eine Bewilligung – und die Veranstaltung falle somit ins Wasser.
Die Vertreter der Stadt lassen diese Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Ralph Hurni verweist auf die rechtlichen Grundlagen. «Wenn die Nachtruhe per Gesetz auf 22 Uhr festgelegt ist, können wir sie nicht einfach eine halbe Stunde nach hinten schieben.» Im Übrigen wolle man Anlässe nicht verhindern, die Stadt biete auch Beratungen an, wie man eine Veranstaltung (doch noch) durchführen könne. Maria Pappa zweifelt daran, dass St. Gallen besonders strenge Gesetze für den Ausgang hat: «Mir wär’s neu, dass wir restriktiver sind als andere Städte.»
Stephan Schlenker von der Fachhochschule ergänzt: «Restriktion kann sich ergeben über sozialräumliche Gegebenheiten.» Will heissen: Wo Wohnungen und Bars nahe beieinander liegen, braucht es mehr Auflagen und wird vielleicht auch schneller die Polizei gerufen. Wobei Polizeikommandant Hurni klarstellt: «Es gibt sehr viele Anwohner, die sehr vieles akzeptieren.» Und Maria Pappa betont, dass bei Konflikten im Ausgang auch ältere Semester involviert seien: «Nicht nur Jugendliche sind betrunken unterwegs.»