In der Region lassen sich immer besser Rotmilane beobachten. Der Grund: Der Bestand des drittgrössten heimischen Greifvogels hat sich in vergangener Zeit markant erhöht. Warum, darüber brüten die Ornithologen in Sempach.
Der Waldkircher Hobbyfotograf Markus Wäger hat sich jüngst vorgenommen, sie zu suchen, sie zu beobachten und sie fotografisch festzuhalten. Denn seit längerem ist ihm aufgefallen, dass die Rotmilane zahlreicher geworden sind. In Andwil schliesslich sei er fündig geworden, sagt Wäger auf Anfrage. Den Beweis liess er der Tagblatt-Redaktion zukommen: ein Rotmilan, der in der Abendsonne sein Federkleid spannt.
«Ich finde den Rotmilan ein wunderschönes Tier. Er ist eine Bereicherung für unsere Natur», schwärmt Wäger. Das Nachspüren im Gebiet Tannenberg habe sich relativ rasch bezahlt gemacht. «Im Weiler Juggen in Andwil sind jeweils abends gleich mehrere, bis zu 15 Exemplare, zu sehen», hat Wäger herausgefunden. Die Vögel scheinen sich dort jeweils auszuruhen: «Sie fliegen etwas tiefer und verweilen auch einmal auf einer Baumkrone. Es scheint, als ob dort ihr Zuhause ist.» Perfekte Bedingungen also für den Fotografen, zumal die Abendsonne ein gutes Licht für scharfe Konturen spendet. So sei es letztlich gar nicht so schwierig gewesen, mit dem Teleobjektiv scharfe Bilder zu schiessen.
Dass die Milane zahlreicher werden, ist auch Hans-Peter Eisenring, Gemeindepräsident von Häggenschwil, aufgefallen. «Mittlerweile sind bei uns jeden Tag Rotmilane zu sehen», sagt er. Wenn er über dieses Tier spreche, komme ihm immer ein besonderes Erlebnis in den Sinn. An einem Sonntag im Frühjahr 2015 sei er alarmiert worden, ein Milan liege halbtot auf der Strasse. Umgehend hat der Gemeindepräsident den damaligen Häggenschwiler Förster-Obmann Hans-Peter Kamber informiert. Doch grosse Hoffnungen habe sich niemand mehr gemacht. «Das Tier wirkte leblos», sagt Eisenring. Die Diagnose Kambers fiel anders aus: «Das Tier war noch warm, das Herz schlug noch.» In der Auffangstation in Uznach fand der Raubvogel schliesslich zu seinen Kräften zurück. Leblos habe der Greifvogel nur gewirkt, weil er sich tot stellte, sagt Kamber. Und dieser Milan habe das sehr konsequent gemacht.
Auch Kamber, der täglich in der Natur ist, beobachtet immer mehr Rotmilane: «Vergangenen Herbst habe ich an einem Ort über 40 Exemplare gezählt.» Diese hätten sich zur Reise Richtung Süden versammelt. «Ein Teil bleibt aber immer hier», weiss Kamber.
Dass die Zahl der Rotmilane markant gestiegen ist, kann man auch bei der Vogelwarte Sempach bestätigen. Der Bestand der Rotmilane in der Schweiz hat sich seit 2000 sogar verdreifacht, wie Erhebungen zeigen. Auch im Kanton St. Gallen habe sich einiges getan: Um 2000 sei der Rotmilan hauptsächlich im Nordwesten vorgekommen, nun habe sich der nach dem Bartgeier und Steinadler grösste heimische Greifvogel über die ganze Kantonsfläche ausgedehnt. Nur die Berggebiete meidet der Greifvogel mit einer Körperlänge von bis zu 73 Zentimetern und einer Spannweite von bis zu 1,65 Metern.
Der Rotmilan breitet sich gemäss der Vogelwarte Sempach erst seit den 1970er-Jahren im Schweizer Mittelland aus. Heute gibt es einen Bestand von über 1500 Brutpaaren, was etwa zehn Prozent der weltweiten Population ausmacht. In vielen Verbreitungsgebieten in Spanien, Frankreich und Deutschland schrumpfen die Bestände allerdings. Es wird gar vermutet, dass Rotmilane in die Schweiz einwandern. Ein Grund dafür könnte sein, dass bereits 2500 Rotmilane hier überwintern. Weshalb es aber dem Rotmilan in der Schweiz so gut gefällt, muss noch weiter untersucht werden.