ST.GALLEN. Er kam als Praktikant und geht als «Gedächtnis der Bauverwaltung»: Nach 37 Jahren bei der Direktion Bau und Planung, davon 25 als Bausekretär, hat Alfred Kömme heute seinen letzten Arbeitstag. Wehmut hat er keine – und fast keine Pläne.
Sein Büro im dritten Stock des Amtshauses ist aufgeräumt. Stapel von Mäppchen liegen säuberlich geordnet auf der Ablage. Nichts deutet darauf hin, dass Bausekretär Fredi Kömme heute seinen letzten Arbeitstag hat. Keine Kartonkisten, keine Abschiedsgeschenke. Einzig ein Bild mit Plakaten des OpenAir St. Gallen, das ihm die Organisatoren als Dank für seine langjährige Vermittlungsarbeit schenkten, nimmt er mit. Nach 37 Jahren bei der Bauverwaltung übergibt der 63-Jährige heute nachmittag die Büroschlüssel an seinen Nachfolger Mathias Fuchs. Wehmut ist beim Gespräch trotzdem nicht spürbar. «Es ist der richtige Moment, um zu gehen.»
Er habe es nie bereut, so lange den gleichen Job gemacht zu haben, sagt Kömme. «Meine Arbeit war meistens spannend und abwechslungsreich. Als Bausekretär ist man am Schnittpunkt der baulichen Entwicklung der Stadt.» Projekte wie der Bau der AFG Arena, des Bundesverwaltungsgerichts oder der Fachhochschule gingen ebenso über seinen Tisch wie die Richtplanrevision oder die beiden gescheiterten Vorlagen zur Neugestaltung des Marktplatzes, die Kömme unter den «Enttäuschungen» abbucht – zusammen mit der abgelehnten Überbauung des Güterbahnhofareals oder der Neugestaltung der Zürcher Strasse.
Auch personell habe es für ihn immer gestimmt, sagt der abtretende Stabschef, wie es heute heisst. Vier Stadträte und Stadträtinnen hat er kommen und gehen sehen. Werner Pillmeier – «ein Stadtrat alter Schule, ein Magistrat, den ich nicht duzen durfte» – Erich Ziltener, Elisabeth Beéry und Patrizia Adam. Er war ihre rechte «und manchmal auch die linke» Hand, ihr engster Mitarbeiter. «Es ist ein Vertrauensverhältnis, bei dem die Chemie stimmen muss.»
Kömme kam als Praktikant zur Bauverwaltung. Das war im Jahr 1978. Der damalige Mittzwanziger, der an der Universität St. Gallen Staatswissenschaften und öffentliches Recht studiert hatte, musste Einsprachen gegen den neuen Zonenplan und die Bauordnung behandeln. Ein Auftrag, der länger dauerte als geplant. Als dann auch noch der damalige Bausekretär Hans Schneider krankheitsbedingt mehrere Monate ausfiel, bat ihn Baudirektor Werner Pillmeier, die Geschäfte zu übernehmen. Von einem Tag auf den anderen stieg Kömme vom Praktikanten zum Interims-Bausekretär auf. «Ich wurde ins kalte Wasser geworfen.» Er begann, sich in die Papierstapel auf Schneiders Pult einzulesen. «Ich habe ein paarmal Wasser geschluckt, aber schnell schwimmen gelernt.» So schnell, dass er nach Schneiders Rückkehr zu dessen Stellvertreter ernannt wurde. 1990 löste er Schneider als Bausekretär ab.
Einsprachen muss Fredi Kömme auch heute noch behandeln. Das sei der Teil der Arbeit, den er am wenigsten vermissen werde. «Wenn Nachbarn wegen Kleinigkeiten streiten und sich gegenseitig vor Gericht zehren, kann das ganz schön ermüdend sein.»
Regelmässig bereist Kömme seine Lieblingsstädte New York, Berlin und London. Der Stadt St. Gallen, in der er aufgewachsen ist, blieb er aber immer treu. Er schätzt hier die Lebensqualität und die Nähe zur Natur. «Wenn ich in New York bin, gehe ich jeden Tag im Battery Park spazieren.» Der Frührentner freut sich darauf, künftig noch viel mehr Zeit für Reisen in seine Lieblingsstädte zu haben. In New York bietet er gar Stadtführungen an – «aber nur für meine Bekannten, die auf Besuch sind».
Das grosse Bild von New York, das in seinem Büro hängt – ein Geschenk von Patrizia Adam –, überlässt er seinem Nachfolger Mathias Fuchs. «Es ist zu gross für meine Altstadtwohnung.» Und bereits am Mittwochmorgen wird er wieder im Flugzeug nach Berlin sitzen. «Ich freue mich, dass ich jetzt mehr Freiheit und Freizeit haben werde.»