Bücher als Lebenselixier

Louis Ribaux ist am Montag mit 84 Jahren gestorben. Er war Buchhändler, ein echter Liberaler und Humanist. Bis kurz vor seinem Tod arbeitete er regelmässig in seinem Buchantiquariat.

Margrith Widmer
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Louis Ribaux, 27. Juli 1930 – 23. Februar 2015. (Bild: Ralph Ribi)

Louis Ribaux, 27. Juli 1930 – 23. Februar 2015. (Bild: Ralph Ribi)

Immer in Eile, oft auf dem Velo – so kannte man ihn jahrzehntelang in der Stadt. Ruhig und beschaulich wirkte der Philosoph Louis Ribaux in seiner Buchhandlung und im Antiquariat. Wegen eines unheilbaren Leidens ging er in den letzten Jahren gebückt, doch die Augen leuchteten wie einst. Und er hörte nie auf, jeden Tag einen Text zu seinem jeweiligen Tagesmotto zu verfassen: Seine Lebensretter nannte er diese Texte.

Immer wieder neu lesen

Bücher waren für Louis Ribaux etwas Edles. Es schmerzte ihn, dass antiquarische Bücher in den Augen vieler Zeitgenossen «Ramsch» sind, dass das Buch oft mit verächtlichem Schulterzucken und Feindseligkeit bedacht wird, dass die Menschen lieber surfen, als Bücher zu lesen, dass sie partout nicht verstehen wollen, dass er ein Buch mehrmals lesen konnte – beispielsweise «Geld und Geist» von Jeremias Gotthelf: «Man nimmt die Texte immer wieder anders wahr.»

Louis Ribaux wurde 1930 in Cham geboren. Nach der Matura absolvierte er eine Buchhändlerlehre. Danach war er in Zürich, Bern, Basel und St. Gallen als Buchhändler tätig. 1955 heiratete er; er war Vater dreier Kinder. 1974 eröffnete er an der Bahnhofstrasse in St. Gallen seine eigne Buchhandlung. 1993 verkaufte er sie. Das Antiquariat führte er bis kurz vor seinem Tod weiter. Er selber veröffentlichte ein Lehrbuch für den Buchhandel, Wanderführer und literarische Erinnerungen. Und er pflegte Kontakte mit Autorinnen und Autoren wie Elias Canetti, Otto F. Walter und Jörg Steiner.

Ein «grüner» Liberaler

Der Humanist, der den Idealen der Aufklärung verpflichtet war, war aber auch ein Politiker, einer der ganz grossen echt liberalen Freisinnigen in Stadt und Kanton. Acht Jahre lang gehörte er dem St. Galler Gemeinderat, dem heutigen Stadtparlament, an, zwölf Jahre sass er im Kantonsparlament. Er war einer der ersten «Grünen», lange bevor es diese als Gruppe oder Partei gab.

Im Zentrum des Lebens und Denkens von Louis Ribaux stand aber immer das Buch: Er las sehr viel. Die Neugierde auf neue Texte, klug konstruierte Geschichten und die Freude daran, das alles weiterzugeben, war Ribaux' Triebfeder. So war er denn auch im Buchladen oder im Antiquariat nie «Verkäufer», sondern Ratender, Wissender, ein kluger, belesener, hoch gebildeter und tiefsinniger Denker und Philosoph.

Märchenbilder

Eine ganz besondere Freundschaft pflegte Louis Ribaux zu dem keiner «Kunstrichtung» zuzuordnenden poetischen Maler Karl Uelliger (1914–1993). Dessen märchenhaften, geheimnisvollen Bilder hatten es Louis Ribaux angetan. Uelligers zauberhafte Landschaften erinnerten ihn an seine Kindheit in einer parkähnlichen Umgebung in Cham am Zugersee. Die Kinder hatten einen riesengrossen Spielplatz: Sie durften Bäche stauen und umleiten. «Das war meine Carte blanche», verriet er. Carte blanche, die uneingeschränkte Handlungsfreiheit, sie war enorm wichtig für Louis Ribaux.

Gegen die Dunkelheit – und gegen seine Krankheit – hat er unprätentiös, aber hartnäckig, mutig und ohne Pathos gekämpft: Er wusste, dass er im Herbst seines Lebens stand. Er wusste, dass der Tod nahte. Er hielt dem Dunkel tapfer und unaufgeregt das geheimnisvolle Licht entgegen – auch das Zauber-Licht der Uelliger-Bilder.

Die Trauerfeier für Louis Ribaux findet am 6. März, 14 Uhr, in der Linsebühl-Kirche statt.