Bordellchef mit Alp-Traum

Er war Karosseriespengler und Kaffeemaschinenflicker. Nun führt Alfonso Coretti das neue Bordell am Blumenbergplatz. Und schläft selten mehr als vier Stunden pro Nacht.

Malolo Kessler
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Faszination fürs Rotlicht, Aversion gegen das Rampenlicht: Bordellbetreiber Alfonso Coretti. (Bild: Ralph Ribi)

Faszination fürs Rotlicht, Aversion gegen das Rampenlicht: Bordellbetreiber Alfonso Coretti. (Bild: Ralph Ribi)

Sie glänzen. Die kristallenen Kronleuchter, die polierten Bodenplatten, die goldfarbenen Sitzmöbel. Die Pailletten an den Schuhen der Frau, die an der Bar sitzt. Und die Augen von Alfonso Coretti. «Ja», sagt er, «ich bin stolz.» Stolz darauf, was er hier an der Rosenbergstrasse 3 geschaffen hat: den Club Extravagant, eines der grössten Bordelle in der Region. Die Kontaktbar sei ursprünglich eine buchstäbliche Schnapsidee gewesen. In den letzten fünf Jahren ist daraus nun aber Realität geworden: Vor gut drei Wochen traten erstmals Gäste über den roten Teppich im Eingangsbereich.

Etwas Neues ausprobieren

Er habe einfach einmal etwas Neues ausprobieren wollen, sagt der Clubbetreiber. Seit rund 20 Jahren ist der italienischstämmige St. Galler in der Gastronomieszene der Stadt tätig. Er hatte unter anderem den Italienischen Club Dolce Vita an der Zürcher Strasse und das «Roxy», das sich in den heutigen «Seeger»-Räumen befand, geführt. Seit 2004 ist er Inhaber des Clubs Studio 15 an der Bahnhofstrasse. «Ich bin durch meinen Bruder, einen Koch, in die Gastronomie hineingerutscht», sagt der 42-Jährige.

Aufgewachsen im St. Otmar-Quartier als Sohn eines Metzgers und einer Schneiderin, hatte Coretti ursprünglich Karosseriespengler gelernt. Auf dem Beruf arbeitete er ein knappes Jahr. Anschliessend flickte er für ein Elektrofachgeschäft eine Zeit lang Kaffeemaschinen. «Das war auch nicht schlecht», sagt er. Aber er brauche es, unter anderen Menschen zu sein. Und immer wieder neue kennenzulernen.

Weniger Stress als mit der Disco

Von jenen Menschen, die er bereits kennt, habe er keine negativen Reaktionen auf seinen neuen Job erhalten. In diesem hat er sich bereits eingelebt. Eine Kontaktbar sei weniger stressig zu führen als eine Disco wie sein «Studio 15», sagt Coretti. «Aber ich bin immer noch daran zu lernen, wie man am besten mit den Gästen umgeht. Und mit den Frauen.» Die Sexarbeiterinnen im «Extravagant» stammten beispielsweise aus Spanien oder Rumänien. Sie bezahlen Coretti lediglich Miete für die Zimmer. Vom Geld, das sie mit ihrer Arbeit verdienen, müssen sie laut dem Betreiber nichts abgeben.

Coretti bewegt sich schon länger in der Welt der Etablissements. Nicht unbedingt, um sich sexuell zu vergnügen. «Mich fasziniert diese Welt eben einfach.» Und er habe eine Freundin. Er lehnt sich kurz auf dem goldenen Sofa zurück, lächelt. «Aber es braucht schon viel Vertrauen, um mit jemandem zusammen zu sein, der einen solchen Job hat. Und das hat sie.» Der Bordellbetreiber spricht schnell und mit tiefer, heiserer Stimme. Immer wieder bricht sie. Wird noch viel tiefer, viel heiserer, ein Krächzen fast. Die Folge eines Autounfalls, nach dem er Stunden in eisiger Kälte ausharren musste. «Ein Stimmband ist eingefroren und kaputtgegangen.»

Die Fäden gerne in der Hand

So gross Corettis Faszination für das Rotlicht ist, fast so gross ist seine Aversion gegen das Rampenlicht. Er hat die Fäden gerne im Hintergrund in der Hand. Dafür fest: Er schläft nicht mehr als vier Stunden, ist tagtäglich hier. Coretti sagt, er wolle das Bordell noch gut zwei Jahre selbst führen, dann vielleicht einen Geschäftsführer einstellen. Damit er Zeit hat, seinen grossen Traum zu verfolgen: einige Monate auf einer Alp zu leben. Mutterseelenallein. Weit weg von der Glanzwelt. Oder, in seinen Worten: «Äwägg vom ganzä Trudel-Rudel.»