Bands öffnen ihre Proberäume

ST.GALLEN. Zum ersten Mal findet heute und morgen das Bandraum-Festival Disorder in St. Gallen statt. Musiker geben intime Konzerte in ihren sonst verschlossenen Probelokalen. Ein Rundgang vorab durch chaotische und heimelige Räume.

Kathrin Reimann
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Zeigen zwar ihren Bandraum, nicht aber ihre Identität: Karluk in der Reithalle. (Bild: Ralph Ribi (Ralph Ribi))

Zeigen zwar ihren Bandraum, nicht aber ihre Identität: Karluk in der Reithalle. (Bild: Ralph Ribi (Ralph Ribi))

Die Wände sind mit Bildern und Postern zugepflastert, am Boden liegen Pizzaschachteln und Flaschen, Schwemmholz-Mobiles, Porzellanpuppen und ein ausgestopftes Eichhörnchen komplettieren das Bild. Wären da nicht die ausrangierten Sofas und die Instrumente, würde man sich irgendwo zwischen Messiebude und Künstleratelier wähnen, und nicht in einem Bandraum in der Reithalle. Wahnsinn und Kreativität liegen nahe bei Karluk, der jungen Band, die seit Anfang Jahr hier probt. «Der Raum ist zentral, nahe beim Bahnhof, gross, man kann laut sein und mitten in der Nacht Musik machen», sagt Gitarrist Pete, der, wie die ganze Band, nicht mit seiner wahren Identität herausrücken will. Nur die Fenster sollte man beim nächtlichen Proben schliessen, ansonsten gibt es Lärmklagen von der anderen Seite der Autobahn. Zum Bandraum, den sie mit einer anderen Band teilen, kam die Formation über Freunde. «Sonst wäre es schwierig geworden, auf einen freien Raum kommen etwa 30 Bewerber.» Bevor sie morgen ihre rockig-elektronische Töne erklingen lassen, wollen sie eine Bar aufbauen und aufräumen. «Aber nicht zu viel, sonst ist es nicht mehr real.»

Heimelig im Wohnquartier

Im Keller eines Wohnhauses in St. Georgen befindet sich der Bandraum von Bright. Stimmungsvolle Beleuchtung, Perserteppich und Sitzecke schaffen eine heimelige Atmosphäre, ein einsamer junger Bob Dylan hängt an der weissen Gipswand. «Wir proben hier seit zehn Jahren, sind die älteste Partie im Haus», sagt Schlagzeuger Dani Eberhard. Vor zwei Jahren sah es noch anders aus. «Es war eher ein Loch, dann haben wir alles rausgerissen und neu gemacht.» Nun sieht es wie in einem Wohnzimmer aus, und so fühlt sich die Band auch: zu Hause. «Den Raum geben wir nie mehr her!» Negativpunkte sehen sie in den alten Fenstern und der Lage. «Wir mussten mit den Nachbarn Kompromisse eingehen, was Häufigkeit und Dauer der Proben anbelangt.» Mittlerweile probt die Band aber mit Kopfhörern. Und so stehen auch für die Besucher der Bandprobe von morgen welche bereit.

Bewerbung mit Lebenslauf

Im Gewölbekeller des Gebäudes neben der Leonhardsbrücke probt – im fast schon sterilen Bandraum – das Duo Hopes & Venom. Das Probelokal des Jugendsekretariates teilen sie sich mit einer anderen Band. Gefunden haben sie es über eine Ausschreibung in der Zeitung. «Wir haben uns mit unserer Bewerbung viel Mühe gegeben, schönes Papier gekauft, mit unserem Logo versehen und unsere Lebensläufe beigelegt», sagt Sängerin und Gitarristin Skiba Shapiro. Dann haben die beiden gespannt auf den Entscheid gewartet, und Schlagzeuger Jorin Engel konnte vor Aufregung kaum schlafen. Seit Mai 2013 proben sie nun an der Geltenwilenstrasse 2 und sind zufrieden. «Nur die Farben nerven, und, dass wir vor jedem Gig unser Material die Treppe aus dem Keller hochtragen müssen.» Einen Aufwand, den sie sich bei ihrem morgigen melancholisch-sphärischen Konzert ersparen können.

Mit Shop, WC und Kantine

Mit dem Lift fährt man im Geschäftsgebäude an der Oberstrasse 153 in das Untergeschoss und findet dort im umfunktionierten Luftschutzkeller den riesigen Proberaum von The Peoples Republic. Die vierköpfige Band lebt ihre Leidenschaft hier seit vier Jahren aus. Entsprechend gemütlich haben es sich die 28- bis 38-Jährigen eingerichtet. Schwarze Sofas, antike Lampen, Perserteppiche und eine nicht ganz ernstgemeinte Sammlung an Konzertplakaten von Scooter, Hansi Hinterseer und Gotthard. «Der Raum ist ein Glücksfall», sagt Schlagzeuger Urs Kaufmann. Sie könnten hier jederzeit lärmen und hätten – Firmengebäude sei Dank – sogar ein WC, einen Postomaten und eine Kantine, zudem stehe in nächster Nähe ein Tankstellenshop. Besucher ihres morgigen Konzerts müssen diesen aber nicht unbedingt besuchen: «Wir sorgen für Bier und freuen uns auf möglichst viele Besucher.»

Kostenlose Bandraumkonzerte Freitag: Café Deseado (Linsebühlstrasse 77, 15–20), Bright (St. Georgen-Strasse 60, 19.30–21), Vom Stern (St. Leonhard-Strasse 20, 20–21), Druminspace (Unterer Graben 54, 22–23), JD & Nice Nine (Schochengasse 6, 22–24), E.S.I.K. (Reithalle, 23.45–1). Samstag: Dachs (Reithalle, ab 14), Jam Session (Schochengasse 6, 20–21), Hopes & Venom (Geltenwilenstrasse 2, 21–22), The Peoples Republic (Oberstrasse 153, 22–24), Elio Ricca (Reithalle, 22–23), All Ship Shape (Reithalle, 23–0.30), Karluk (Reithalle, 21–0.30).

Dani (links) und Stefan Eberhard von Bright in ihrem heimeligen Bandraum in St. Georgen. (Bild: Ralph Ribi (Ralph Ribi))

Dani (links) und Stefan Eberhard von Bright in ihrem heimeligen Bandraum in St. Georgen. (Bild: Ralph Ribi (Ralph Ribi))

Hopes & Venom alias Skiba Shapiro (links) und Jorin Engel im Gewölbekeller. (Bild: Ralph Ribi (Ralph Ribi))

Hopes & Venom alias Skiba Shapiro (links) und Jorin Engel im Gewölbekeller. (Bild: Ralph Ribi (Ralph Ribi))

Lärm im Luftschutzkeller: The Peoples Republic in ihrem Proberaum an der Oberstrasse. (Bilder: Ralph Ribi)

Lärm im Luftschutzkeller: The Peoples Republic in ihrem Proberaum an der Oberstrasse. (Bilder: Ralph Ribi)